Samstag, 19. November 1988

Jonas Hellborg: Irrwisch am Baß

Mittlerweile scheint er über die Insider-Szene hinaus bekannt zu sein; in Bassistenkreisen ist der schwedische Elektrobassist Jonas Hellborg sowieso schon seit einiger Zeit eine Leitfigur: Das »Zentrum Zoo«, in das Hellborg am Donnerstagabend mit noch zwei Musikern kam, war bis auf den letzten Stehplatz voll.
Der Musiker blickt bereits auf ansehnliche Erfahrungen zurück; mit elf hatte er seine erste Band, mit 16 war er in Schweden im Rock-, Blues- und Heavy Metal-Bereich ein bekannter Mann. Sein Baßspiel vergleichen viele Kritiker mit John McLaughlins Art, die Gitarre zu bearbeiten, was wohl als Kompliment zu verstehen ist.
Der Vergleich zum englischen Gitarrenstar liegt nahe — und nicht nur, weil Hellborg tatsächlich zusammen mit Billy Cohham und McLaughlin 1984 eine Neuauflage des legendären »Mahavishnu Orchestra« ins Leben rief. Sowohl die Soli als auch bei manchen Stücken der Gruppensound erinnern bisweilen stark an die spannungsreichen, vertrackten und wahnsinnig schnellen »Mahavishnu«-Klänge der 70er. Diese Affinität schafft natürlich auch Probleme: Da, wo es bei McLaughlin langweilig wurde, weil Tempo und vertrackte Schemen nur noch Selbstzweck waren, ist auch im Gefüge der »Jonas Hellborg Band« im Jahr 1988 viel heiße Luft im Spiel.

Jonas Hellborg demonstrierte sein enormes Können. Mal klang sein Spiel auf dem Doppelhalsbaß der edelsten Sorte nach den Gitarrensounds eines Jimi Hendrix, mal schwelgte der Schwede in lyrischen, obertonreichen und »singenden« Pastelltönen, um dann gleich wieder in harte Funk-Rhythmen umzukippen. Die Spieltechnik und stilistische Vielfalt des Jonas Hellborg ist spektakulär; es gibt tatsächlich kaum einen Musiker, der dem elektrisch verstärkten Baß soviel Klangnuancen entlockt und dabei noch so entspannt und verspielt wirkt.
Seine zweiköpfige Band bewegte sich ebenfalls auf dem obersten Niveau. Der in New York lebende türkische Keyboarder Aydin Esen löste die schwierige Aufgabe, den Klang einer so kleinen Formation zu vergrößern, mit Bravour. Auch seine Soli erinnerten oft an die große Zeit des Jazzrocks; insbesondere mit einer Synthesizer-Solostimme war die Ähnlichkeit zum ersten »Return to Forever«-Ensemble von Chick Corea frappierend.
Schlagzeuger Kenwood Dennard überraschte durch eine fantastische Spieltechnik, verbunden mit der Fähigkeit, auf seine Mitmusiker zu hören. Bei einem elf-vierteltaktigen Stück schlug er solo die unglaublichsten Begleitfiguren. Lediglich sein Gesang konnte den Standard dieses Abends nicht erreichen. Insgesamt sahen die zahlreichen Besucher ein von der Spieltechnik her hervorragendes Konzert. Es wurde harmonisch und rhythmisch zwar nicht viel Unbekanntes präsentiert - doch das, was die »Jonas Hellhorg Band« macht, macht sie unglaublich gut. (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...