Montag, 14. November 1988

Maria Peschek: Nonstop-Tratsch und "Gottletten"

Als vorletztes Angebot der diesjährigen Reutlinger Kleinkunsttage lud die »Kleinkunstbühne im Rappen e. V.« die bayerische Kabarettistin und Schauspielerin Maria Peschek ein; auch dieses Gastspiel war bis auf den letzten Platz ausverkauft.
Die ehemalige Kindergärtnerin redete im Keller des »Rappen« 90 Minuten lang über alles und jeden, ohne Interpunktion, rasend schnell von einem Thema aufs andere kommend, ohne Vorwarnung vom heimatlich bayerischen Idiom ins Hochdeutsche wechselnd, — ein verbaler Rundumschlag, der Politisches mit Sozialem, zutiefst Bodenständiges mit dem Flair der Theaterwelt verband.
Da ging es beispielsweise um das »Negerkostüm«, das die Peschek beim Fasching an hat und mit dem sie auf dem Landfasching den zweiten Platz belegt und eine Kaffeemaschine gewinnt, und die Schwester findet die Idee gar nicht witzig und deswegen reden sie jetzt nicht mehr miteinander und »I sog dir's scho, wann i wieda mit dir red'.«
Ähnlich überzeugend die Geschichte vom Haarstylisten Guido: Der läßt mit seiner liebevollen Haarpflege (»Der redet jedem Haar einzeln gut zu«) auch gleich Kopf- und Magenschmerzen verschwinden und ist überhaupt ein ganz toller Mann; »a bissen teurer is' natürlich scho«.
Verantwortungsvoller Verzicht aufs eigene Kind wird auf die Angst »mal Frühstück machen oder Windeln wechseln zu müssen« reduziert; eine wichtige Beobachtung liefert die Kabarettistin gleich noch hinterher: »Eigene Kinder stinken nicht!»
Besonders schön — und manchmal allein schon durch den Überraschungseffekt witzig — war die Biographie der Maria Peschek, die, ebenfalls kabarettistisch verarbeitet und mit kleinen Szenen versehen, locker zwischen das eigentliche Programm verteilt wurde. Die Leute ließen sich einen Abend lang das Hirn vollquatschen, und bezahlten auch noch dafür.
Aber so konsequent und voller Humor war ein eineinhalbstündiger Nonstop-Tratsch auch selten.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 14. November 1988

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