Am Samstagabend gaben die »Achalm Brassers« in der Reutlinger »zelle« ihr Abschiedskonzert. Damit hat sich eine der erfolgreichsten Reutlinger Rockbands vorn Publikum verabschiedet. Die »Brassers« formierten sich 1985; einige Jahre vorher hat es die Gruppe in anderer Besetzung — schon einmal gegeben.
Die Bühnenarbeit von Sänger, Rhythmusgitarrist und Texter Jörg Laskowski und seinen Mitmusikern Karsten Gorkow (Leadgitarre), Hans-Dieter Class (Baß), Dietmar Götz (Tasteninstrumente) und Harald Wester (Schlagzeug) — er nahm den Platz von Jochen Schmalbach ein — war von einer unprätentiösen Haltung geprägt; die Gruppe machte mit einfachen technischen Mitteln Musik, die ihre Vorbilder in Sounds von Gruppen wie »Steppenwolf«, »Ten Years After« oder den »Doors« hatte.
Der von den beiden Gitarristen und der Uralt-Orgel von Dietmar Götz geprägte Klang der »Achalm Brassers« unterschied sich von den anderen Reutlinger Gruppen; die Band verstand es auch, beim Abschiedskonzert in der vollen »zelle«, eine Balance zwischen hartem Rock, filigranen Gitarrensoli und der verbalen Botschaft zu finden.
Die Texte der »Achalm Brassers« fanden mehr Beachtung als gewöhnlich; nicht nur die deutsche Sprache ist ein Grund dafür, sondern auch die Inhalte: »Wir haben Lust, Rock 'n' Roll zu spielen und sehen die Musik als Medium an, die Texte rüberzubringen« meinte Jörg Laskowski kurz nach dem erneuten Auftauchen der »Achalm Brassers« auf der Reutlinger Szene. »Die Texte der Gruppe haben es in sich und gehen oft in sarkastischer — manche würden sagen: primitiv-vulgärer Form das »Feeling« der Gruppe wieder. Der Titel »Die Kinderschänder sind an der Macht« ist dabei noch harmlos und verdeutlicht, »dass die Band ihre Empfindungen ungeschminkt vorträgt« wie die Presse den Reutlinger Rockern attestierte.
Das gefiel dem Publikum: Die Direktheit der Musiker im Umgang mit ihren Zuhörern, die Abneigung gegen »Pfeifenköpfe« und andere denkfaule Wohlstandsbürger, verbunden mit einem ebenso ehrlichen, direkten und emotionsgeladenen Musikstil. Das liess die Konzerte der »Brassers« meistens etwas voller als andere im von Publikumsmüdigkeit geplagten Reutlinger Raum werden. Jetzt hören die »Achalm Brassers« also auf, und sicher sind sie nicht »hoffnungslos veraltet«, wie Laskowski meint. Die Gruppenchemie stimmt intern nicht mehr, die Musiker gehen eigene Wege.
Verdient haben die Mitglieder der Band in den fast vier Jahren nichts: »Das Ganze war ein Zuschussgeschäft,« so Laskowski. Immerhin — und diese Möglichkeit haben nicht viele Reutlinger Szene-Musiker — können die »Brassers« ihren Enkeln später eine Fernsehaufzeichnung zeigen: Die »Achalm Brassers« mit drei Titeln live im Fernsehen, am 15. Fehruar 1986, aufgezeichnet als die S3 »Abendschau« in Reutlingen »auf Ach-
se« war. (mpg)
Dienstag, 13. Dezember 1988
Achalm Brassers: Abneigung gegen Pfeifenköpfe
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