Beim »Blauen Engel« verkaufte er 85000 Gummibärchen; den »letzten Tango von Paris« schauten sich dreißig Jahre später wesentlich weniger Leute an und bei »Star wars« sitzt der Besitzer fast alleine im Kino.
Otto nennt ein Lichtspieltheater sein eigen, sein Filmvorführer, der quirlige, stets auf der Suche nach der nächsten »Performance« herumwirbelnde K. Punkt Heinz steht mit ihm vor der leeren Kinoleinwand. Otto sammelt seine Lieblings-Filmausschnitte in einer Dose und kann nicht so recht zwischen der Realität und dem künstlichen Zelluloid-Leben unterscheiden.
»Folgen Sie mir bitte« heißt es mit Grabesstimme, eine Türe quietscht: Während Otto die Horrorfilm-Szene anschaulich vorspielt, schaut sich K. Punkt Heinz den Film an. Als sein Chef ihm den Streifen wegnehmen will, läßt er den Film einfach rückwärts ablaufen, genau wie er später ein paarmal in »Slow Motion« wunderbar kinogerecht an einer feindlichen Kugel stirbt.
"Casa Blanca oder Der Film" als Gastspiel des Berliner Brandungstheaters in der fast vollen Reutlinger »Tonne« (gestern abend auch im Albert-Einstein-Gymnasium) war witziges Theater der besonderen Art.
Rund ums Thema Film führten die beiden Darsteller Arnold Abram und Kai Helm ein verwirrendes Kaleidoskop an Szenen vor, schlüpften dauernd in verschiedene Rollen und verbanden dabei Elemente des Theaters intelligent mit filmischen Möglichkeiten.
Performance-ähnliche Sequenzen wechselten mit absurden Szenen; die Besucher sahen Theater, Film, Variete, Kabarett, und einiges mehr gleichzeitig, neben- und durcheinander — das Tempo der »Schnitte« war mindestens so amüsant-verwirrend wie die unzähligen Rollen, in die die beiden Schauspieler schlüpften.
Am Ende entwickeln Otto und K. Punkt Heinz neues Kino. Sie setzten einfach alle Filmschnipsel aneinander und die Verwirrung fort.
Diese in atemberaubendem Tempo und auf -zig Ebenen gespielten Szenen wären ohne das mitreißende komische Talent von Abram und Helm nur blaß; man muß diese abenteuerlichen Verwicklungen und die grotesken Ideen einfach gesehen haben.
So, wie schon im »Film« dauernd technische Prinzipien des Kinos witzig umgesetzt wurden, ging es auch in der begeistert erklatschten Zugabe zu: Arnold Abram (»Das ist so etwas wie ein Heimspiel«) bat die Besucher, auf sein Kommando die Augen zu öffnen oder zu schließen. Die Erzkomödianten bewegten sich bei geschlossener »Linse« immer ein Stück weiter in ihrem Film; das Publikum durfte bei »Der Schöne und das Biest« bis zum bitteren Ende den Projektor spielen — auf so eine Idee muß man erst mal kommen.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 01. Dezember 1988
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