Es ist schon ein Kreuz mit den Schriftstellern: Da schreiben sie Bücher, manchmal sogar ganz dicke, wollen sie dann »verlegen« und schaffen es einfach nicht. »Das Paradies des Vergessens« hieß eine der vier Geschichten, die der gebürtige Basler Urs Widmer am Donnerstagabend in dem halbvollen Jacob-Fetzer-Buchladen zum besten gab; da ging es um die Autoren, die Bücher nicht der Bücher, sondern des Schreibens wegen verfassen, die dann verzweifelt versuchen, das Manuskript (von dem es selbstverständlich keine Kopie gibt!) loszuwerden, es aber nach allen Versuchen des Liegenlassens immer wieder zurückbekommen.
Am Ende werden die Werke oft von Verlegern »verlegt«, klar, dafür sind solche Leute ja da. Der Schaden ist unersetzlich, der Verleger kommt für alles auf — »Sind 750 Mark in Ordnung ?«
Die Texte von Urs Widmer sind schon in der gedruckten Fassung voll sprühendem, oft hintergründigem und absurdem Witz — »live«, vom Autor selber vorgelesen, gerade die witzigsten Stellen knochentrocken betont, gewannen die Geschichten noch einmal enorm dazu,
Aus den Prosaübertragungen der Stücke von Shakespeare las Widmer auch; die Bearbeitungen, zusammen mit Walter E. Richartz verfaßt und 1978 in Widmers Stammverlag Diogenes veröffentlicht, zeichnen sich durch humorvoll-distanzierte Sprache aus, die zusammen mit dem Widmerschen Schalk das Vergnügen beim Lesen oder Zuhören beträchtlich erhöht.
Neben einem Roman-Fragment über einen Wissenschaftler, der nach versteinerten Schmetterlingen forscht, bekamen die Zuhörer im Fetzer-Laden noch den Text »Urs« zu hören, in dem der Schriftsteller über seinen Namen philosophiert: »Wer ein Bär ist, stößt ständig auf Bäriges. An jeder Ecke steht ein Gasthof meines Namens, — Nur reisen kann ich mit meinem Urs schlecht.
In Frankreich rufen sie mich mit einem spitzen ÜRSÖ, in Amerika klingt es wie Rülpsen. Dafür aber besteigen andere Menschen mit anderen Namen einfach einen Raucher- oder Nichtraucher-Waggon, wenn sie verreisen: ich aber einen Fume-Urs. Der Ursprung ist ursprünglich ein Urs-Sprung, man weiß ja, wie die Sprache mit Konsonantenhäufungen umgeht. Die Urs-Szene gar spielt in meinem Leben eine gewaltige Rolle, obwohl ich sie noch nie gesehen habe.«
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 10. Dezember 1988
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