Die Liebe zur Musik war schon früh zu erkennen: Mit 15 Jahren verpflichtete Ahmet Ertegun, Sohn des türkischen Botschafters in den USA, eine schwarze Jazzband für eine Botschaftsfeier. Und seine 100000 Dollar, das Startkapital für eine Diplomaten-Karriere, gingen schon bald für Plattenproduktionen drauf. Seit 1948 gibt es auf den Papieretiketten von Platten den Namen »Atlantic« zu lesen — aus der ehemaligen Edel-Firma für Rhythm'n'Blues, Soul und Jazz ist heute allerdings ein musikalischer Gemischtwarenladen geworden.
Die Jazzplatten, die Ahmet Ertegun zunächst veröffentlichte, spielten gerade mal die Unkosten ein, mit Rhythm'n'Blues, damals noch »race music« genannt, lief das Geschäft schon besser, zumal diese Art von Musik indiskutabel für andere »weiße« Labels war. Aber Ertegun und der Produzent Jerry Werder verhalfen der schwarzen Musik zur großen Popularität, indem sie »primitive« Bluesmusiker zusammen mit technisch versierten Jazzmusikern ins Studio steckten und damit die »race music« für ein Massenpublikum akzeptabel machten.
Und wie: Zwischen 1953 und 1955 hatte Atlantic mehr als 30 Top-Ten-Hits in den Charts. Die Firma blieb offen für andere Einflüsse: Gruppen wie die heute vergessenen »Clovers« schlugen eine Brücke zum Pop und die Musik Lateinamerikas wurde vorsichtig ins Atlantic-Repertoire aufgenommen. 1959 kam dann der erste Rückschlag für Ahmet Ertegun und seinen Bruder Nesuhi, der die Jazz-Abteilung leitete, sowie Jerry Wexler: Ray Charles verliess die Firma, nachdem er seinen ersten großen Hit »What I'd Say« hatte. Wexler und Ahmet Ertegun hatten keine Lust mehr und zogen sich erst einmal von Atlantic zurück.
Salomon Burke brachte die Firma 1960 auf den Soul-Trip. Wexler wurde auf eine Platte des Provinz-Duos Carla und Rufus Thomas aufmerksam. Der Titel hieß »Cause I Love You« und verkaufte sich sensationelle 15000 mal. Wexler kaufte die Platte den Betreibern des späteren »Stax«-Labels ab — zwischen Atlantic und Stax begann so eine fruchtbare Beziehung, die Labels kopierten sich gegenseitig und hatten Riesenerfolge: Zwischen 1962 und 1967 machte Atlantic ein Umsatzplus von 500 Prozent und war die führende Soul-Marke geworden.
Als der Vertrag mit Stax auslief, hatte sich Atlantic fast alle Rechte am Stax-Katalog gesichert. Die Beziehung der beiden Labels endete, Atlantic schwenkte vom Soul und Blues zum progressiven Rock und wurde schliesslich an die Gebrüder Warner verkauft.
Auf dem Label wurden Gruppen wie »Vanilla Fudge« oder »Iron Butterfly« veröffentlicht, Soul-Leute wie Salomon Burke, Wilson Pickett oder Joe Tex gingen, neu kamen »Led Zeppelin«, »Yes« oder die »Stones«, die allerdings schon 1976/77 wieder gingen. Dafür kam eine Gruppe, die zwar nicht so gut, aber dafür kommerzieller war: »Foreigner«.
Heute ist von schwarzer Musik bei Atlantic nicht viel zu sehen: »INXS«, Robert Plant, »AC/DC«, Phil Collins und Genesis haben die Plätze von Ben E. King, Aretha Franklin oder Ruth Brown eingenommen. Jim Dickinson, Musiker und Produzent von Atlantic, sagt heute: »Sie haben ihren Soul verloren, sie haben das, was sie auch verdient haben.« (mpg)
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