Donnerstag, 23. Februar 1989

Matsche, Wörks & Pullrich: Hintersinnig, komisch und derb

»Seriöse Kleinkunst« versprachen Wilfried Schmicker, Wolfgang Müller und Klaus Huber alias »Matsche, Wörks & Pullrich« dem Reutlinger »zelle«-Publikum. Das Misstrauen gegen so eine Ankündigung war gerechtfertigt; zumindest aber das »Outfit« der drei aus Leverkusen konnte man als seriös bezeichnen.
Einer der Herren nahm sofort in einem Einkaufswagen Platz (»das ist kein Einkaufswagen, das ist ein Symbol. Der wahre Charakter ist der Warencharakter«), ein anderer roch verliebt an seinen Socken: Die drei Kabarettisten, Musiker und Clowns setzen auf Skurriles, versuchen die »ausgetretenen« Kabarett-Pfade zu verlassen.
Politiker werden ebenso auf die Schippe genommen wie das Publikum selber. Ein schluchzendes Giftfass wankt über die Bühne, »von niemandem abgefüllt und transportiert, ungeliebt, heimatlos«. Der Vertreter eines Erste-Hilfe-Koffers im Ernstfall hat für alle Fälle das Gegenmittel dabei: Die Geräuschkassette hilft, den atomaren, biologischen oder chemischen Ernstfall rechtzeitig unterscheiden zu lernen, die Plastiktüte (»mit Panoramablick«) dient als Gasmaske und Alufolie als Schutzanzug.
Dazwischen immer wieder Songs, deren instrumentale Begleitung die drei Künstler auch als hervorragende Musiker auszeichnet. »Matsche, Wörks & Pullrich« bieten ein kabarettistisches Wechselbad, das neben bösartigem Hintersinn, Dada-geprägten Nonsens-Texten, schierem Klamauk (einer der Drei zu einer Besucherin: »Mit Ihnen möchte ich in den Hafen der Ehe schiffen«) leider auch lange Passagen voll plumper Anzüglichkeiten — manchmal nur knapp zu ertragen — auf die Zuhörer losläßt. Diese Hänger sind aber angesichts der großen schauspielerischen Fähigkeiten der Drei — gepaart mit der Sorte Perfektion, die man eigentlich nicht wahrnimmt und die deshalb die beste ist — nicht besonders schwerwiegend. Und einmalig sind »Matsche, Wörks & Pullrich« in der deutschen Kabarettlandschaft sowieso.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 23. Februar 1989

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