WLB Esslingen, Dantons Tod: Das Ende der großen Revolution

Frankreich feiert dieses Jahr den Jahrestag der Revolution; »Au nom de la Republique 1789-1989« stand auf der Trikolore in der Metzinger Stadthalle: Fast auf den Tag genau. an dem vor 200 Jahren die Versammlung der Generalstände eröffnet wurde, spielte die württembergische Landesbühne Esslingen »Dantons Tod« von Georg Büchner als Gastspiel in Metzingen.
Die Frage. die in den vergangenen Monaten die Gemüter erhitzte, war: Kann man diese Revolution überhaupt feiern? Eine Revolution. die genauso viele Tote gefordert hat wie der erste und zweite Weltkrieg in Frankreich zusammen. eine Revolution, die den einen Herrscher nur durch einen anderen ersetzte, bei der die erklärte individuelle Freiheit von staatlichem Terror zunichte gemacht wurde - ist die die ganzen Feiern wert?
Nicht nur die Nachbarn diskutierten - auch in der Bundesrepublik wurde das Thema ,Revolutionsjubiläum« gründlich ausgereizt. Der Beitrag der Esslinger Bühne zur Diskussion, Georg Büchners »Dantons Tod«, ist sicher nicht der Schlechteste, zeigt und behandelt er doch nicht Glanz und Gloria, sondern das Ende der Revolution, den Kampf der beiden großen Leitfiguren Danton und Robespierre gegeneinander — wenn man so will, den Selbstmord der Idee.
So sonderlich schien das Revolutions-Stück die Metzinger nicht zu interessieren: Mehr als die Hälfte der Plätze in der Stadthalle blieben leer. Die Inszenierung von Wolfgang Mehring vermittelte sehr deutlich die Verwirrung der Revoluzzer und die Zerrissenheit der einzelnen Kreise. Reinhold Ohngemach ist ein plastischer, greifbarer, eben lebendiger Danton. so wie überhaupt die Ensemble-Leistungen das doch arg trockene Geschichts-Stück aufwerteten.
Das wurde von den Zuschauern honoriert; weniger schön fanden die meisten den Klangbrei in der Stadthalle, der wieder einmal vieles unverständlich machte. Dem setzten die meisten Akteure auf der Bühne eine deutliche Artikulation entgegen. so dass die Konzentration aufs Geschehen möglich war.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 02. Mai 1989