Sänger Jon Anderson und Bill Bruford am Schlagzeug waren schon 1968 bei der Gründung von »YES« dabei; Keyboarder Rick Wakeman ersetzte 1971 Tony Kaye, Steve Howe spielt seit 197O die Gitarre. Diese Musiker, die alle bei den »YES«-Klassikern »Fragile« und »Close to the edge« (1971 und 72) mitgespielt haben, stehen jetzt vor einem kleinen Problem.
Obwohl sie zusammen zweifellos »YES« sind, dürfen sie sich so nicht nennen. Es gibt nämlich noch Band-Mitbegründer Chris Squire am Baß, der für die beiden letzten »offiziellen« »YES« -Platten verantwortlich zeichnet und alle Rechte an dem Gruppennamen besitzt.
Und Herr Squire meint, daß ohne ihn »YES« nicht sein können.
Jon Anderson war vertraglich verpflichtet, mit Chris Squire und »YES« in den USA die beiden Alben »90125« und »Big Generator« aufzunehmen, ohwohl ihm das immer. weniger Freude machte: »Ich habe von dem Mainstream-Rock die Nase voll«, meint Anderson. Nur logisch, daß er sich eines Tages mit den alten Mitgliedern der Band in Verbindung setzte. Wakeman, Bruford und Howe waren begeistert — lediglich Squire reagierte böse. Er warf Anderson Treulosigkeit, Geldgier und mehr vor - dabei war er es wohl, der sich weigerte, altes »YES«-Material in den Konzerten zu spielen.
Dieser unschöne Streit hat jetzt zur Folge, daß die Konzertbesucher, die im November einen »evening with YES music« erleben wollen, auf den Plakaten nicht nach dem einprägsamen verschnörkelten Bandlogo Ausschau halten müssen, sondern nach einem nicht minder verschnörkelten »Anderson, Bruford, Wakeman & Howe«-Schriftzug.
Die Musik wird wohl, je nach Standpunkt, gar nicht an die modernen »YES« erinnern, ein bißchen danach klingen oder auch starke Parallelen haben, wenn auch technologisch den zu Ende gehenden 8Oer Jahren angepaßt. Die Streits und Ego-Trips der Siebziger sind heute vergessen. Schlagzeuger Bill Bruford, der auch mit »Genesis«, »King Crimson« und »Bill Bruford's Earth Works« Erfolg hatte, sieht's heute so: »Man wird erwachsen, wir sind heute toleranter zueinander«.
Diesen Prozeß hat auch Anderson (»Jon & Vangelis«) durchlaufen: »Es gibt mehr im Leben, als ewig den Top Ten hinterherzurennen. Man sollte vielleicht einfach wieder Musik machen . . .« Gesagt getan. Das Album »Anderson, Bruford, Wake-man & Howe« bringt, aufnahmetechnisch auf aktuellem Stand, genau das, was die Gruppe so bebliebt machte: Ausgefeilte, kunstvoll verschachtelte Melodien, dicke Keyhoard-Teppiche und der unverkennbare Falsettgesang Andersons werden auch 1989 ihre Liehhaber finden.
Der Vorwurf, mit der Neuauflage der alten »YES« nur noch ein paar zusätzliche Milliönchen auf's Konto häufen zu wollen, wird sofort und energisch dementiert: »Das ist für mich alles >frisch< und >aufregend<«, meint Gitarrist Steve Howe, »ich glaube nicht, dass wir etwas Altes ausschlachten — wir sind eher dabei, etwas Neues auf altem Terrain zu definieren.
Die meisten Songs der Platte hat Jon Anderson auf der griechischen Insel Hydra komponiert. Für ihn ist die ganze Sache einfacher: »Ich spürte, dass sich, genau wie bei »Fragile« und »Close to the edge«, eine neue Energie durch unsere Musik ziehen würde«.
Außerdem, so Jon, »hat's mit der Formation von 71 /72 am meisten Spaß gemacht. Bill Bruford, derjenige der vier mit den meisten Jaz;-Ambitionen, meint: »Was mich an der Gruppe reizt, ist die Herausforderung, Jons musikalische Fantasien so effektiv wie möglich umzusetzen. Das ist fast wie in einer Jazz-Band«. Fast.
Jetzt sind die Herren Anderson, Bruford, Wakeman und Howe auf Welttournee, die sie in Amerika anfingen. Im November gibt's in sechs Städten einen Abend mit »YES«-Musik. Das einzige Konzert im Südwesten der Republik führt die Musiker am 14. November in
die Stuttgarter Schleyerhalle. (mpg)