Keith Jarrett wurde am 8. Mai 1945 in Allentown, Pennsylvania, geboren. Mit drei (!) erhält er klassischen Klavierunterricht, fünf Jahre später tritt Jarrett, inzwischen als »Wunderkind« bezeichnet, öffentlich mit klassischem Repertoire auf. Schon damals erstaunte Jarrett sein Publikum mit der Fähigkeit, einmal eingeübte Stücke, oder auch nur Partikel davon, fast beliebig abzurufen, neu zusammenzusetzen. Mit 16 gibt Jarrett ein zweistündiges Solokonzert eigener Kompositionen, ein Jahr später tourt er mit einer Unterhaltungscombo. 1963 schreibt er sich beim berühmten »Berklee College« in Boston ein und bricht nach knapp einem Jahr wieder ab, weil die dortige Musiklehre mit seiner Musik nichts zu tun hat.
1965 ziehen Keith und Margot Jarrett — der Pianist hat inzwischen geheiratet — nach New York. Jarrett arbeitet mit Roland Kirik, Tony Scott, Lee Konitz und anderen; auch vier Monate mit der Hardbop-Legende Art Blakey — musikalisch haben die beiden allerdings nicht viel Gemeinsames. Von '66 bis '69 ist Jarret Mitglied im Quartett des Tenorsaxophonisten und Flötisten Charles Lloyd und macht die Jazzwelt erstmals auf sich aufmerksam. Er gründet 1967 ein Trio mit Charlie Haden und Paul Motian, das später mit Dewey Redman zum Quartett erweitert wird. Die Mitarbeit im Ensemble von Miles Davis zwischen 1969 und Ende 1971 trägt beträchtlich dazu bei, den Ruhm des Pianisten zu vergrößern. Allmählich mehren sich die Solokonzerte Jarretts; bis 1975 gab er über 50 solcher Auftritte.
Insbesondere die vom Münchner ECM-Label veröffentlichten Mitschnitte von Konzerten in Bremen, Lausanne und nicht zuletzt Köln machen Keith Jarrett bei einem breiten Publikum bekannt und sorgten dafür, daß Jarrett heute der Star der »Kammermusik-Jazz«-Firma ist.
In die Schublade »Solopiano« war Jarrett - der behauptet, diese Auftritte seien vom ersten bis zum letzten Ton improvisiert, schnell eingeordnet — und wird es ungeachtet seiner anderen Aktivitäten, wohl auch nach eine Weile bleiben. Das Publikum fand trotz zwangsläufigem Leerlauf in der musikalischen Aussage übergrossen Gefallen an diesen emotionalen, expressiven, »lyrischen« Wohlklang-Wolken.
Bei Solokonzerten »ist der Künstler für jede Sekunde verantwortlich«, sagt Jarrett, »In einer Gruppe stimmt das nicht und sollte auch gar nicht so sein. Dort ist man erst den Spielern gegenüber verantwortlich, so daß der Kreis nicht vollkommen geschlossen ist. . . Wegen der engen Bindung an den Rest der Gruppe gibt es keine Bindung ans Publikum.« Neben seinen Solokonzerten wandte sich Jarrett immer mehr der Komposition von zeitgenössischer E-Musik zu; Platten wie »The Light«, »Luminessence« oder »Arbour Zena«, alle mit dem Südfunk-Orchester realisiert, zählen zu diesem Bereich.
Parallel arbeitete der Pianist mit Jan Garbarek, Jon Christensen und Palle Danielsson in einem Quartett, begleitete Gary Burton, Jack deJohnette und andere bei deren Platten und verstärkte seine Aktivitäten im Bereich der auskomponierten E-Musik.
Da müssen die 1983 bei einer zweitägigen Aufnahmesession entstandenen beiden »Standards«-Platten sowie »Changes« mit eigenem Material den Jazzfreaks wie eine Offenbarung erschienen sein: Endlich wieder Grooves und Swing statt introvertiertem »Klaviergeplätscher«. Die drei genannten Platten wurden in Trio-Besetzung mit dem Bassisten Gary Peacock und Jack deJohnette am Schlagzeug eingespielt. Tatsächlich zählen diese Aufnahmen der alten Melodien zu den heute gültigsten.
Mit diesem Trio war der Pianist, der von seinem Publikum weihevolle Ruhe, Ehrfurcht und höchste Konzentration verlangt, 1985 und 1986 auf Europatournee — dieselbe Besetzung spielt auch am 19. Oktober um 2o.30 Uhr im Stuttgarter Kongreßzentrum Killesberg in einer Art »Joint Venture«-Veranstaltung des Tübinger »Zentrum Zoo« mit dem Stuttgarter »Theaterhaus«, der »Scala« in Ludwigsburg und dem Esslinger Kulturzentrum »Dieselstrasse«. (mpg)