Es gehört schon etwas dazu, »Dicksein« oder »Freßsucht« als erstes Thema in einem Kabarettprogramm zu wählen; beim Odenwälder Musikkabarett-Duo »PS« wurde aus dem Nummernkomplex eine Mischung aus Heiterem und Nachdenklichem mit einer gelungenen Balance zwischen brüllendem Lachen und betroffen machenden Tönen.
»Der Mensch ist, was er isst«, oder umgekehrt, war die Schlagzeile; »da sind wir hier beim Schwaben richtig: gemütlich, leicht aufgedünstet, aber nett«. »Ich brauch' nur fett Gedrucktes zu lesen, schon nehm' ich zu«, weiß die eine der beiden Erzkomödiantinnen; gemeinsam flöten sie dann, frei nach »My fair lady«: »Ich hab' geträumt heut nacht, von einem Kartoffelsalat…« Auf so eine Blödelei folgt dann — und dieses Prinzip zieht sich wie ein roter Faden durchs Programm — eine leise, sensible Auseinandersetzung mit der pathologischen Freßsucht.
Das Programm wird — durchaus zeitgemäß — für einige Werbespots unterbrochen: »Marmor, Stein und Eisen bricht« jubeln die verkaufsfördernden Stimmen, als sie »für den Bundestag« ein Behältnis anpreisen; das sonst eher auf turbulenten Flugreisen von Leuten mit empfindlichem Magen genutzt wird.
Pe Werner und Sybille Ruisinger, so heißen die beiden Kabarettistinnen des »Duo PS«, machen ihrem Firmenschild alle Ehre: Sie legten am Dienstagabend auf der Kleinkunstbühne des Rappen ein atemberaubendes Tempo vor und tobten mit viel Wortwitz und musikalischem Humor zwingend komisch von Nummer zu Numer; fast nichts lassen die beiden aus: »I hob' an Bunka im Goatn«, heben sie alpenrosenerglühend an, oder entlarven in einer Zugabe die Lächerlichkeit gewisser Wunschkonzerte im Rundfunk: »Sie wischen, wir spülen!«
Natürlich bekommen auch die Männer ihr Fett weg. »Rettungsring statt Pershing« heißt es in einer Überlegung zum Thema »Dicke Männer in der Bundeswehr«; im mehr persönlichen Bereich sind die Präferenzen klar: »Männer mit Glatze machen mich heiß — nicht diese Bubis von Miami Vice !«.
Der »Mann aus dem Katalog« ist im Zeitalter der gebrochenen Beziehungen vielleicht nicht der Schlechteste: »Entscheiden Sie sich für den Zweierpack, dann gewinnen sie noch einen Anorak«. Und die »Bundesanstalt für Auftragsgeburten« macht »staatlich geprüfte Gebärmütter«, die nach einiger Zeit Betriebszugehörigkeit auf Urlaub ins ewige Eis dürfen: »Werdende Mütter und kalbende Gletscher.«
Die »Rosa Zeiten«, die da am Dienstagabend angebrochen sind, dieses »heiter hysterische Musikkabarett« des »Duo PS«, sind absolut verlockend. Neben der großen mimischen Begabung der Darstellerinnen und dem geschliffenen Wortwitz nicht zuletzt auch der Musik wegen: Kaum jemals zuvor hat das »Rappen«-Publikum zwei so gute Frauenstimmen gehört; die sich — eine eher dunkel und voll, die andere hell und etwas zarter timbriert — so gut ergänzten und auch in souligen A-cappella-Titeln durch gefühlvolle Stimmführung überzeugten.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 10. November 1989
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