Donnerstag, 30. November 1989

Eva Demski: Die Lust am Lesen wecken

Eigentlich war sie ja gekommen, um aus ihrem Essay/ Reportagen-Band »Unterwegs«, 1988 erschienen, vorzulesen. Auf einen Text aus diesem Buch mußten die Zuhörer im Reutlinger Fetzer-Buchladen jedoch lange warten:. Eva Demski hat auf der diesjährigen Buchmesse einen neuen Titel vorgelegt: »Käferche und Apfel« ist aus einer Gast-Poetikvorlesung an der Gesamthochschule Paderborn im Wintersemester 1988 entstanden; Eva Demski will damit vor allem »die Lust am Lesen wecken". »Erfahrung und Erfindung« hieß so ein Abschnitt, in dem es um die literarische Abbildung der Realität ging; wie so viele andere vor ihr kommt die Autorin zu dem Schluss, dass die Wirklichkeit gänzlich »unbrauchbar für einen Roman« ist.
Eine andere Frage. die in Reutlingen kurz angeschnitten wurde, ist bekannt und beliebt: »Kann Literatur die Welt verändern?«
Mit viel Humor gedacht und geschrieben war ein Text mit dem Titel »Zwiefache Speise«, erschienen in einem Almanach der Frankfurter  Verlagsanstalt zur Buchmesse, der nicht im Buchhandel erhältlich ist. In diesem Traktat geht es ums Essen beim Lesen oder umgekehrt. »Das lehnen nur Leute ab, die auch gewebte Schutzhüllen um ihre Bücher tun«, meinte die Autorin, und entwarf mögliche literarisch-gastronomische Kombinationen, dass nicht nur die Lust am Lesen geweckt wurde. Was Flüssigkeiten anbeträfe, seien die Autoren im Vorteil: »Schnaps geht beim Schreiben, aber nicht beim Lesen«.
Für eine Katzen-Anthologie ist das Manuskript »Das Märchen vom Kater mit der goldenen Pfote« gedacht. Ein Kater hat sozusagen »überkätzliche« Fähigkeiten, regt sich des öfteren über die grenzenlose Ignoranz der Zweibeiner auf und kann seine tierischen Freunde aus den Käfigen eines Häschers befreien…
Gegen Ende der Veranstaltung las Eva Demski nach beinahe zwei Stunden »als Rausschmeißer« einen sehr genau beobachteten Text mit dem Titel »Herbstreise«. Diese witzige Geschichte aus »Unterwegs« nimmt den Lesungsbetrieb auf die Schippe: »Ach wissen Sie, sagt der erfahrene Buchhändler dann, wir haben einen kleinen, aber wirklich erlesenen Kreis!"
"Allzuviel Popularität gilt ja Gott sei Dank hierzulande als etwas igitt, und so sind es viele Tröstungen, deren sich ein einsamer Autor bedienen kann. Aber noch sind wir ja noch lange nicht soweit, dass wir schon die Stühle und Köpfe zählen könnten, noch ist die allererste Frage (»Haben Sie das alles selber erlebt?«) nicht gestellt…"
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 30. November 1989

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In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...