Samstag, 30. Dezember 1989

Wolfgang Dauner: Mann am Klavier

Er nimmt regelmäßig Spitzenplätze in europäischen Jazz-Polls ein, obwohl diese Kategorie seinen musikalischen Aktivtäten nur teilweise entspricht. Er ist für den riesigen Erfolg des »United Jazz + Rock Ensemble«, dessen Mitbegründer er 1975 war und dessen musikalische Koordination er übernommen hat, zum großen Teil verantwortlich. Seine Duo-Konzerte mit seinem Freund Albert Mangelsdorff zählen zu den Highlights im bundesdeutschen Konzertbetrieb. Konstantin Wecker, der Kraftprotz aus Bayern, brachte mit seiner Hilfe nach einer kreativen Flaute wieder tolle Platten heraus. Wolfgang Dauner, der am 30. Dezember 54 Jahre alt wird, ist mit seinem Klavier fast überall zu hören, auch da, wo man ihn gar nicht erwartet.
Dauner, der in Stuttgart geboren ist, wuchs als Waise auf. Ohwohl er als Kind Klavierunterricht hatte, machte er nach der Schule zunächst eine Lehre als Schlosser. Ab 1958 studierte er an der Stuttgarter Musikhochschule Trompete und Komposition. Seine Anfänge als Profimusiker verzeichnet unter anderem eine Tournee mit Marika Rökk. 1962 machte er erste Aufnahmen mit Joki Freund, ein Jahr später auch mit dem ersten eigenen Trio, mit Eberhard Weber am Baß. Bei den Berliner Jazztagen 1967 führte Dauner unter anderen mit Jean Luc Ponty seine »Free Action für Jazz-Septet« auf, ein Jahr später an selber Stelle das Jazz/Chor-Werk »Psalmus Spei«.
1969 übernahm Dauner die »Radio Jazz Group« des Süddeutschen Rundfunks, zwei Jahre später präsentierte der Avantgarde-Pianist dem Publikum die Gruppe »Et cetera«, bei der unter anderen auch mal der Gitarrist Larry Coryell sowie derspätere Schlagzeuger des »United Jazz + Rock Ensembles«, Jon Hiseman, mitspielten.
1975 folgte dann die Gründung eben des »UJ + RE«, parallel dazu die musikereigene Plattenfirma »Mood Records« — auch hier hatte Dauner, dessen Markenzeichen ein Pferdeschwanz sowie ein weißer Schal um den Hals geworden sind, seine Finger wesentlich mit im Spiel.
Wolfgang Dauner komponierte auch fürs Fernsehen, für Hörspiele und machte Filmmusiken. 1976 produzierte er zusammen mit Dieter Süverkrüp das Kindermusical »Das Auto-Blubbergum«, zwei Jahre vorher war er für die TV-Serie »Glotzmusik« verantwortlich.
Dauner, der inzwischen mit fast allen europäischen Jazzern von Rang gespielt hat, veröffentlichte im Lauf der Jahre eine Unzahl von Platten, mit Leuten wie seinen Kollegen vom »UJ + RE«, Albert Mangelsdorff, Charlie Mariano, Dino Saluzzi, Peter Gigers »Family of Percussion« und vielen mehr. Als Einstieg für zukünftige Dauner-Fans empfehlen sich »Changes« (Solo-Piano und -Synthesizer, 1979), »Solo-Piano« (1983), »One night in '88« (mit Charlie Mariano und Dino Saluzzi, 1988) oder das kollektive Meisterwerk »Moon at Noon«, das unter Albert Mangelsdorffs Namen erschienen ist.
Zusammen mit Trilok Gurtu und der »Familiy of Percussion« entzünden die Freunde an Posaune und Klavier hier ein Feuerwerk in Rhythmik und Melodik, das seinesgleichen sucht. (mpg)

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In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...