Für die Musik Dannerbauers, eine abwechslungsreiche Mixtur auf der Basis von Hardbop, gibt es bei den Plattenfirmen, ob groß oder klein, anscheinend keinen Platz: Die erste Platte der »Music Liberation Unit«, »Love go«, wurde mit archaisch anmutenden vier Tonspuren in Eigenregie aufgenommen und vertrieben; auch »The segregated way«, die neue Produktion Dannerbauers und seiner Mitstreiter, ist nur im Eigenvertrieb des Bassisten erhältlich.
Musiker wie Dannerbauer brauchen Jazzclubs wie die Reutlinger »Mitte« — und umgekehrt: Wo sonst als in einem kleinen Club könnte ein relativ unbekannter Musiker heute noch spielen und Spielerfahrungen sammeln, wen sonst als »preiswerte« Musiker ohne große Namen könnte ein von Finanzkrisen gebeutelter Jazzclub, wie die »Mitte« einer ist, noch bezahlen. Stars sind auch im Jazz nicht einfach da, auch sie wollen entdeckt werden — die Jazzclubs haben die eminent wichtige Aufgabe, dem Nachwuchs ein Podium zu bieten.
Das scheint das Publikum immer seltener zu erkennen. Wo über CD, Fernsehen und Video Höchstkarätiges in überschaubarer Menge frei Haus geliefert wird, fällt die Auseinandersetzung mit Unbekanntem, womöglich auch noch Ungewohntem, schwer.
Zum Gastspiel Dannerbauers kamen vielleicht 30 Leute in den »Jazzclub in der Mitte«; das sind zwar viel zu wenige; für die »Mitte« war das Konzert am Samstag aber ein recht gut besuchtes — in Reutlingen muß ein Veranstalter dankbar sein, wenn sich überhaupt irgend jemand für moderneren Jazz interessiert.
In einer Quintett-Besetzung mit Trompete, Saxophon, Piano, Baß und Schlagzeug spielte die »Music Liberation Unit« technisch versiert und meistens exakt, musikalisch sehr engagiert. »Life shows no mercy/ Exitation«, das erste Stück des Abends, machte das vielseitige Konzept des auf einem Einodhof lebenden Musikers deutlich: Ausgehend von einer Hardhop-Tradition fließen allerlei andere Musikstile mit ein. Da wechseln lyrische Passagen im Geiste etwa eines Bill Evans mit schwer rockenden Teilen voll von schwarzem »Groove«; von Trompete und Saxophon unisono gespielte Bebop-Zitate münden ohne Vorwarnung in Marschrhythmen.
In »Memories of Mingus«, das Dannerbauer einem der sensibelsten Jazzbassisten überhaupt gewidmet hat, steht sich sein erdiges, ganz und gar unspektakuläres Spiel auf dem Kontrabaß, das auf vordergründige Effekte zugunsten der musikalischen Sache verzichtet, besonders hervor. Die Vielseitigkeit und -schichtigkeit seiner Kompositionen wird sicher nicht von allen positiv empfunden; Puristen werden Dannerbauers Auffassung von »modernem Jazz« nicht teilen können. Andere freuen sich, daß es einen Musiker mehr gibt, der nicht hinter dem Erfolg herrennt, sondern eigenständig und unverwechselbar das macht, was er für richtig und wichtig hält. (mpg)