»Bariton-Summit« war der Abend überschriehen — und in der Tat: Konrad und Schäfer zeigten auf den tief klingenden und sehr schwer zu spielenden Instrumenten wahre Meisterschaft — und nicht nur da. Beide wechselten immer wieder zu den kleineren Vertretern der Saxophonfamilie und begeisterten mit ihrem Spiel die bis auf wenige Ausnahmen sehr konzentriert wirkenden Zuhörer.
Der Rest von »Extrapolation« — das ist eine der ältesten und besten modernen Jazzformationen der Region — war genausogut aufgelegt wie die beiden Bläser; Gitarrist Peter Remmele, Schlagzeuger Günter Schulz und Joachim Fritz am Bass gingen weit über Begleiter-Funktionen hinaus und erwiesen sich (wieder einmal) als tolle Musiker, die perfekt aufeinander eingespielt sind, ohne jemals langweilig zu sein.
Am Beginn des Konzerts stand der Titel, der der Reutlinger Formation zu ihrem Namen verholfen hat: Das Stück »Extrapolation«, vom Gitarristen John McLaughlin geschrieben, bringt gerafft all das zu Gehör, was die Reutlinger Band musikalisch auszeichnet. Das Ensemble wechselt ausgewogen zwischen kompaktem Gruppenklang und solistischen Ausflügen aller Musiker, fühlt sich gleichermaßen im Jazz wie im Rock zuhause und kombiniert kontrastreich verschiedene musikalische Elemente zu einer spannenden Einheit.
Der 43jährige, mit Preisen vielfach ausgezeichnete Bernd Konrad, Leiter des Landesjugend-Jazzorchesters und seit 1986 Professor für Jazz- und Popularmusik an der Stuttgarter Musikhochschule, stellte sich dann musikalisch ganz alleine am Baritonsax vor.
Mit ganz leisen, luftigen Tönen, wirkungsvoll kontrastiert durch für das Instrument typische schnatternde Klänge und machtvolle, dröhnende Sounds, erklärte er all denen, die es noch nicht wußten, ohne Worte die Faszination dieses Instruments.
Dann wechselten sich die beiden Saxophonisten, die trotz der stellenweise sehr verzahnten Melodik immer gut zu unterscheiden waren — Schäfer phrasierte rauher als Konrad —, in der Führung der Band und an den Instrumenten ab und liessen sich immer wieder auf intelligente »Duelle« untereinander und mit anderen ein.
Und da zeigten sich dann auch die Qualitäten von Gitarrist Remmele und ganz hesonders von Joachim Fritz, der an diesem Abend sehr locker und gelöst seine Saiten zum Singen brachte — nicht zu vergessen den Schlagzeuger Günther Schulz: Er spielte üher weite Strecken exakt und unauffällig; seine feinziselierten Muster waren dennoch komplex. Besonders intensiv wurde sein Spiel, als er an einer Stelle mit weichem Schlegel seine Trommeln bearheitete.
Die Zuhörer erlebten ein Wechselhad musikalischer Gefühlsäußerungen: Ging es im ersten Stück nach der Pause fast schon rockig zu, begann »Die Insel«, ein Stück von Konrad, mit zärtlich gehauchten Tönen, um sich dann dramatisch zu hitziger Intensität zu steigern. Die Musiker spielten auch ein Stück, das auf einer türkischen Skala basierte, später schlich sich ein Blues ein und am Ende setzte Konrad mit einer langen Linie nahtlos aneinander gereihter Triller eipen furiosen Schlusspunkt unter dieses gute Konzert. Die Zuschauer applaudierten heftigst und bekamen um halb eins in der Nacht noch eine Zugabe. (mpg)