»Notwandlungsstücke« nennt er kleine Skulpturen aus Bronze, »Einfallsnummern« hat er allem, was seinem kreativen Kopf so entspringt, seit 1962 gegeben und »Art-Hüte« eigens für die Reutlinger Landeskunstwochen gezeichnet und mit kleinen Texten beschrieben. Die Schreibe Fritz Schweglers, 1935 im Kreis Göppingen geboren und heute Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, ist verdreht, verkürzt, gewandelt. Was sagt er über seine eigenen, »notgewandelten« Stücke?
»über Wandlungen gibt's viele Vorstellungen und Bücher. Das berühmteste womöglich schon im alten China. Und das Wandern, das Wandern, ach, ist auch bei uns lange bekanntes Volksliedgut. Was Stücke sind, braucht nicht extra erwähnt zu werden, es hat mit dem Ganzen zu tun, welches immer nur in solchen Schritten zu haben ist. Auch das ist nötig, einzusehen. Ist das ein sich winden, schmerzlich, oder wird's dann schon spielend, Tanz?«
In der gesamten Ausstellung Schweglers in der Eingangshalle des Reutlinger Rathauses finden sich Formen, die in verschiedenen einzelnen Stücken ebenfalls zu sehen sind, er verarbeitet seine Ideen in verschiedenen Disziplinen künstlerischen Schaffens. Und was für Formen: »Einfallsnummer 6929« ist ein Gebilde, das aussieht wie ein Kuheuter, mit einem sozusagen schützenden Dach darüber - »Wiederkehr der Sonnensamung« (»EN 6637«) der ebenfalls verblüffende Titel. Oder eine gebückt mit durchgedrücktem Kreuz dastehende Dame (»EN 7045«), die einem vierbeinigen und -füßigen Balken (»EN 6953«) mit einem Hohlzylinder oben drauf gegenübersteht — auch diese Figur bietet irritierende optische Reize, deren Wirkung durch die »EN 6785« noch verstärkt wird: »Doch hat bei des Lebens Zukunft Forschung manch innerer das Auge aufgetan«, steht im Katalog, den die Stadt Reutlingen anlässlich der Ausstellung Schweglers herausgebracht hat. In dem Buch sind die zarten, lichtdurchlässigen Wachsformen abgebildet, die den 150 ausgestellten, poppig bunt bemalten Bronzeminiaturen zugrunde liegen.
Neben großen Tafelbildern, die bildnerische Darstellung und skurrilen Text vereinen, hängen 40 kleine, bemalte und beschriebene Blätter Schweglers im Reutlinger Rathaus. »Ein Hut, ein Stock und eine Zeitung«, heißt einer dieser »Art-Hüter«, ein anderer »Weiter Hut mit Stangen«. Da baumeln zwei Hüte für distinguierte Herren auf zwei dürren, stachlig behaarten Beinen. Oder das Modell »Stapler«: »Mit um den Kopf Stäben / die jedem geben / ein Hochstablergefühl, der so einer sein will«, hat der auch gesanglich engagierte Schwegler — bei der Ausstellungseröffnung war's zu vernehmen — diesen Kunst-Hut selbst beschrieben.
Rudolf Greiner, der Organisator der Reutlinger Schwegler-Schau, meint über den zweifelsfrei reichlich mit Humor begabten Künstler: »Er vermeidet Hierarchien zwischen den Dingen, zwischen Wort und Bild und Bild und Plastik. Alles steht nebeneinander, und kann so in seiner Eigenheit erfasst werden. In ihrer Gleichberechtigung und wuchernden Lebendigkeit werden die Stücke des Künstlers not-wendend und damit not-wendig«.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 19. September 1991
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