Zum Abschluß der Reutlinger Landeskunstwochen schmunzelten und lachten rund 60 Besucher über die musikalischen und lautmalerischen Späße der »Expanded Voice Company« — die »Vereinigung erweiterter Stimmen« — aus Stuttgart.
Und weil das Trio in der Heinzelmann-Fabrik fast eineinhalb Stunden lang Dada-Kunst und Avantgardistisches, konkrete Poesie und musikalische Satire präsentierte, war Vielen sicher nicht klar, was genau sie eigentlich erheiterte — aber witzig war es trotzdem.
Hanna Auerbacher (Mezzosopran) und Ewald Liska (Bariton und Konzeption des »Lautvergnügens«) sangen Lieder von Erik Satie (1866 - 1925) mit warmen und flexiblen Stimmen, einfühlsam am Flügel begleitet von Urs Liska. Das Tasteninstrument war auch schuld daran, daß die experimentelle Vorstellung nicht im Rahmen der Ausstellung der Grieshaber-Schüler stattfand — der Transport vom Kasino in tiefere Etagen hätte den teuren Klavierstimmer auf den Plan gerufen.
Von Satie führte »Exvoco« unter anderem zwei Chansons (»Je te veux« von 1897 und »La Diva de l'Empire« von 1902) auf, humorvolle »Ludions« für Stimme und Klavier, sowie drei Liebeslieder, »ohne Furcht anzuhören«, aus dem Jahr 1914. Das lustvolle, ironische Spiel Saties mit romantischen Elementen machte Liska besonders deutlich, als er zwei der drei »Gnossienes« von 1890 voll innererer Spannung interpretierte.
Sangen Auerbacher und Liska die Satie-Stücke noch weitgehend konventionell, liefen sie in den lautmalerischen Gedichten beispielsweise eines Raoul Haussmann oder Hugo Ball zu reichlich ungewohnter stimmlicher Klangerzeugung auf. In den höchsten Tönen schnatternd, tief grummelnd und schlangengleich spuckend zeigten die beiden Sänger, daß interessante Musik nicht immer aus Belcanto bestehen muß.
Von Christian Morgenstern, dem »Vater« lautmalerischer Blödelei, war unter anderem das »große Lalula« und der »Rabe Ralf« zu hören, von Dada-Mann Kurt Schwitters ein Husten-Scherzo, bei dem die beiden Stimmen das ganze Sortiment sonst reichlich unbeliebter vokaler Kracher durchhusteten — von asthmatisch über grippal bis hin zur gemeinen Nikotin-Bronchitis.
Vollends irrsinnig wurde die Vorstellung bei den abschließenden Chorälen für Klavier von Satie in einer Konzeption von John Cage. Da rannte Ewald Liska hektisch auf der Bühne herum, maß irgendwelche Entfernungen ab, plazierte Notenständer um und setzte einen Schlagbohrer zur rhythmisch gewaltigen Akzentuierung ein. Derweil bereitete Hanna Auerbacher das Solo für den mitgebrachten Reisefön vor, Liska zerknüllte seine Noten und verließ kurzfristig die Bühne und verwertete ein befreites »Aah-Uuh-Aah«, den Cognacschwenker in der Hand, als perkussionistische Einlage. Die Zuschauer waren von dem ganzen Blödsinn begeistert und erklatschten sich zwei Zugaben. (mpg)
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...