Montag, 20. Januar 1992

Barfuss im Park: Komödie mit langem Anlauf

Die Stars sind aus dem Fernsehen bekannt, das Stück ist leicht und locker — klar, die Listhalle war am Montagabend proppenvoll. Herbert Herrmann und Susanne Uhlen waren die Protagonisten der Broadway-Komödie "Barfuss im Park" von Neil Simon in einer Inszenierung der Berliner Komödie am Kurfürstendamm (Regie: Jürgen Wölffer).
Die witzigen Dialoge des frischvermählten Ehepaars Paul und Corie Bratter ziehen sich über zwei Stunden. Das Eheglück, von Flitterwochen im Edelhotel kräftig angeheizt, geht im trauten Heim mehr und mehr baden. Die Heizung hängt drei Meter über dem Boden, durchs Dach schneit es, und was wie eine Diele aussieht, ist das Schlafzimmer.
»Man altert schnell auf dieser Strecke« - dem Telefonmann (Jürgen Walters) gehen die sieben Stockwerke bis zur »Wohnung« der Frischvermählten ebenso auf die Lunge, wie der Mutter Cories (Hannelore Cremer). Die taucht kurz nach dem Einzug auf und sorgt für Zündstoff zwischen dem Ehepaar. Später beginnt sie ein Techtelmechtel mit dem Lebemann Victor Velasco (Jürgen Zartmann).
Die spritzigen Wortgefechte von Erfolgsautor Neil Simon, 1963 uraufgeführt, zündeten auch in Reutlingen - wenn auch mit einiger Verzögerung.
So richtig Tempo in die Geschichte kam erst nach der Pause. Da, als alle betrunken nach Hause kommen und Corie im Suff Streit anfängt, paßt auch das durchgehend nervöse, in Sprache und Gesten völlig überdrehte, kleinmädchenhafte Spiel der Uhlen.
Wenn Herbert Herrmann die liebevoll entworfene Apartment-Szenerie (Bühnenbild: Ul-
rich E. Milatz) betrat, verblaßten alle anderen. Er spielte die Rolle des frisch verheirateten, braven Bürgers mit großer Lust und wirklicher Komik, die Witzeleien Simons kamen bei ihm, im Gegensatz zu den anderen, immer spritzig von der Bühne — und seine Grimassen waren zum Brüllen komisch.
Herrmann bekam dann auch am Ende des zweieinhalbstündigen Theaterabends den kräftigsten Applaus. Der Lautstärke und Dauer des Beifalls nach geurteilt, hat das Gastspiel
den Besuchern gut gefallen.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 20. Januar 1992

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