Dienstag, 7. April 1992

Dave Holland Trio: Ein bißchen zuviel des Guten

Die Namen auf den Plakaten fürs Jazzkonzert des Tübinger »Prinz Karl« am Sonntag im Casino versprachen Kennern der Szene ein musikalisches Ereignis: Der Bassist Dave Holland, Gitarrist Kevin Eubanks und Schlagzeuger Marvin »Smitty« Smith genießen seit Jahren einen herausragenden Ruf, alle drei waren schon in der Bestentabelle des wichtigen amerikanischen Magazins »Downbeat« verzeichnet. Daß nach dem rund zweistündigen Gastspiel die musikalische Bilanz eher mager aussah, lag daran, daß jeder der Drei zuviel des Guten tat.
Dave Holland, der durch sein Spiel auf mehreren Platten des Trompeters Miles Davis in den siebziger Jahren schlagartig bekannt wurde, mit so ziemlich allen großen Namen zusammengespielt und immer wieder interessante Platten auch mit Avantgardisten aufgenommen hat, erwies sich wie seine Mitmusiker unschlagbar, was den Ton und die Spieltechnik anbelangt. Seine Soli waren von einer fast stimmlichen Flexibilität und großer Behendigkeit gekennzeichnet, er ging öfters mit seinem akustischen Kontrabaß um, als sei's eine Gitarre.
Auch Kevin Eubanks — er hat heispielsweise früher mit dem Piano-»Löwen« Mc Coy Tyner oder dem Bassisten Ron Carter zusammengespielt — zeigte neben rhythmisch spannend gesetzten begleitenden Blockakkorden in seinen sparsamen solistischen Ausflügen atemberaubende Virtuosität. Akustisch war sein Spiel auf der halbakustischen Jazzgitarre manchmal nur schwer zu verfolgen — ganz einfach, weil ihn die anderen übertönten.

Marvin »Smitty« Smith, ein erst 32jähriger Schlagzeuger, der mit und bei Sonny Rollins, Ron Carter, Archie Shepp, Sting und anderen gearbeitet hat und Dave Holland schon seit einigen Jahren immer mal wieder unterstützt, arbeitete am Sonntagabend in Tübingen für drei. Sowohl sein fein differenziertes Spiel auf seinem umfangreichen Perkussionsinstrumentarium mit Glocken, Klangstäben, Rasseln und Schellen als auch das auf herkömmlichen Schlagzeug-Instrumenten geriet zu einer Lehrdemonstration in Sachen Schlagzeug: Absolut präzise schlug er die kompliziertesten Figuren, machte mit Doppelschlegeln an der Baßtrommel wie auch mit kleinen Trommeln ein Mordsgetöse und übernahm mit Klängen, die an afrikanische Wassertrommeln erinnerten, auch noch Melodieaufgaben.
Zusammen hörte sich das alles sehr komplex an, erinnerte durch die ständigen Arpeggios von Baß und Gitarre ein wenig an »Minimal Music« — und war nach den 47 Minuten des ersten von insgesamt vier Stücken nur noch langweilig.
Munter plätscherten die immergleichen Improvisationsideen die - manchmal modalen - Tonskalen rauf und wieder runter. Zum zähen Gesamteindruck des eifrig von den 150 Besuchern beklatschten Konzerts trugen auch die endlosen Codas bei: Selbst bei dem das abschließenden Blues am Ende des Gastspiels fand das Trio kein Ende und wiederholte dudelnd längst vorher im Stück gehörte Phrasen. Schade. (mpg)

500 von 5000

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