Die Kinder mußten frieren, hevor sie sich zurücklehnen und gemeinsam mit den überaus erfolgreichen Vier »Laß' die Sonne 'rein« zu lockeren Funk-Rhythmusschnipseln rufen konnten: So viele Leute interessierten sich für die witzigen Deutsch-Rapper, daß die Jugendlichen schon eineinhalh Stunden vor Beginn des ersten Konzerts in dichten Trauben vor dem-»Black Mustang« warteten.
Drinnen ging's überaus eng, aber friedlich und ohne Störungen zu. Da feierteten Hunderte Zehn- his Vierzehnjährige dichtgedrängter als die vielbemühten Sardinen eine energiegeladene, fröhliche und fast exzessiv ausgelassene Party. Die Geschichte von den armen Jungs, die »Die da« freitags nie finden, kannten natürlich alle auswendig — aber auch die rhythmisch spannenden Sprechsalven des hinreißend gereimten sexualphilosophischen »Saft«-Raps nahmen Männlein wie Weiblein mitsprechend zum Anlaß, einander schöne Augen zu machen.
Nach einer Stunde war der rhythmische Zauber, der weitgehend auf künstliche Showeffekte verzichtet, vorbei. »Thomas D.« und »Smudo« schauten fast noch nasser als das schweißdampfende Publikum aus den »Dicken Pulli's« (Songtitel). Die Metallgitter vor der Bühne und vor allem die hart arbeitenden Disko-Mitarbeiter dahinter hatten dem Druck der euphorisierten Fans standgehalten. Niemand verletzte sich in dem Geschiebe, und »Black Mustang« Chef Heinz Bertsch konnte die jugendlichen HipHopper rechtzeitig zur Jugendschutz-Sperrfrist heimschicken.
»Ich hab' ja schon viel erlebt — aber so etwas wie heute noch nie!« Bertsch, der seit 25 Jahren das »Black Mustang« führt und als Konzertveranstalter ganz gewiß nicht zur Euphorie neigt, schien bei der Ankündigung der Mitternachts-Show selbst ein wenig aus dem Häuschen zu sein. Die zweite Vorstellung des Rap-Quartetts, das schon seit sechs Jahren zusammen Musik macht, war — auch, was die »spontanen Scherze« anbelangt — vollkommen gleich wie die erste Show.
Das Publikum indes hatte sich geändert: Nicht ganz so fanatisch, aher trotzdem gut aufgelegt und vor allem ungezwungener als die ganz Jungen hewegten sich die Twens zu den Rhythmen der »Fantastischen Vier«. Die schauten am Ende ziemlich zerknittert aus ihren Klamotten. Zwei Monate lang waren die (verdienten) Abräumer der deutschen Dance-Szene vor kurzem ununterbrochen auf Tour, 200 Konzerte sollen sie dieses Jahr gemacht haben — auch für Musikanten, die nicht mit konditionsfordernden Schnellreimen und wilder Hops-Choreographie ihre Brötchen verdienen, ein ordentlicher Streß.
Als Zugaben gab's das »Wasserbett« und — jahreszeitlich passend — »Frohes Fest«. »Die Vier sind draußen« — mit dem inzwischen dank kräftiger Radio-Promotion überall im »wilden Süden« bekannten Spruch war d a s Reutlinger Disko-Ereignis des Jahres 1992 vorbei. Fantastisch, diese Vier. (mpg)