Donnerstag, 1. April 1993

Jimi Hendrix: Revolutionär an der Gitarre

Jimi — Sex, Drogen und Rock 'n' Roll, brennende Gitarren, eine bis zur Unkenntlichkeit verzerrte amerikanische Nationalhymne, Pop-Ikone?
Die Bilder, die teils von dem bis heute innovativsten Gitarristen der Rockszene selbst in die Köpfe seiner Fans gesetzt wurden, mehr aber noch von Vermarktungsstrategen der Plattenfirmen forciert wurden, werden Hendrix nicht gerecht und noch weniger seiner Musik.
Am 27. November wäre der »Flammenengel der Rockmusik«, wie selbst die FAZ poetisch und gefährlich plakativ formulierte, 50 Jahre alt geworden. Gestorben ist Jimi Hendrix am 18. September 1970 an seinem eigenen Erbrochenen. Offizieller Grund für seinen Tod: Eine Überdosis Schlaftabletten.
Hinter der Drogengeschichte, die leider auch nach 22 Jahren die Attraktivität des Musikers bei jugendlichen Hörern vergrößern, ist ein musikmachender Mensch zu finden, der stets auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten war. Dies dokumentiert auch eine hervorragende Hendrix-Biographie von Charles S. Murray, erschienen im Wiener Hannibal-Verlag.
Jimi revolutionierte die Technik des elektrischen Gitarrenspiels wie vor ihm höchstens der Jazzer Charlie Christian und nach ihm keiner mehr. Nach Armeedienst und Rhythm'n' Blues-Tingeltangel spielte Hendrix ab 1963 bei Little Richard, später in der Band von Ike und Tina Turner und ließ sich von Bluesmann Albert King Tricks beibringen.
In New York trat der Gitarrist als »Jimmy James« mit einer Begleitgruppe »The Blue Flames« auf. »Stones«- und »Animals«-Musiker sahen ihm dort begeistert zu, und der ehemalige »Animals «-Bassist Chas Chandler holte ihn 1966 nach England.

Als »Hey Joe« Anfang '67 in den britischen Top 10 auftauchte, begann für Jimi und seine musikalisch alles andere als adäquate »Experience« mit Mitch Mitchell (Schlagzeug) und Noel Redding (Baß) ein hektisches Leben zwischen Parties, Studioterminen und Live-Auftritten. Das damals in der Pop-Szene wichtigste US-Magazin »Rolling Stone« schrieb: »Er war der elektrifizierte Niggerdandy der Blumenkinder-Generation, ihr goldenes Kalb und bestes Pferd im Stall.«
Jimis Auftritt bei der immer noch verklärten »Woodstock«-Schlammschlacht war d e r Höhepunkt des Festivals, mit der nur kurz existierenden »Band of Gypsys« (mit Schlagzeuger Buddy Miles und Bassist Billy Cox) absolvierte Hendrix 1969 ein tolles Konzert im »Fillmore West«.
Der Gesundheitszustand von Hendrix verschlechterte sich in den Folgemonaten rasch, die Konzerte wurden (mit Ausnahme eines Auftritts beim »Isle of Wight«-Festival im Sommer 1970) schlechter. Von einem Bigband-Projekt konnte dieser erste »Crossover«-Musiker, der gleichermaßen schwarzes wie weißes Publikum begeisterte, nur noch träumen.
Neben den zu Hendrix' Lebzeiten veröffentlichten LP's »Are You Experienced« (1967), »Axis: Bold As Love« ('67), der Single-Kollektion »Smash Hits« (1968), »Electric Ladyland« (1968) und dem 70er Live-Album »Band Of Gypsys« sind nach dem Tod dis Gitarristen unzählige Platten mit Nachlaß-Material, Live-Aufnahmen und frühem ,sowie skizzenhaftem Studiomaterial erschienen.
»The Cry Of Love« und »Soundtrack From Rainbow Brigde« (beide 1971 erstmals veröffentlicht) bringen hörenswert unvollendete Fragmente. Von den vielen Live-Mitschnitten (der größte Teil in miserabler akustischer Qualität) lohnen sich »Jimi Plays Monterey« (1986) und »Live At Winterland« (1987). Der Monterey-Gig ist auch auf Videocassette erhältlich und für Fans ein Muß — genau wie die 100minütige Dokumentation »Jimi Hendrix« von Warner Home Video und »Jimi plays Berkeley« (Palace Video). (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...