Heftiges Gelächter und viel Beifall im Haus der Jugend: Wiglaf Droste, oft ätzend bissiger Autor auch in »taz« und »Titanic«, unterhielt 50 Fans seiner Schreibe mit einer Lesung, die problemlos auch unterm Stichwort »literarisches Kabarett« hätte durchgehen können.
Voll Lust am witzigen Irrsinn erzählte Droste beispielsweise in »Esoterik« vom Aufstand der Fruchtsäfte gegen Alkoholika. Für deutsche und andere Kämpfer hatte der Autor penibel formulierte, beißende Worte übrig: »Mitleid ist nicht angebracht, wenn die Töterichs auf große Fahrt gehen... Jeder deutsche Soldat, der sich in Somalia eine Kugel einfängt, hat sie sich redlich verdient«.
Der Satiriker erzählte »die Wahrheit über Rühes heldenhaften Somalia-Einsatz« ebenso wie die über Bad Kleinen. In Drostes Version stirbt der RAF-Mann, weil einer von der GSG 9 ein trainiertes Gehör hat und der Terrorist »selbstkomponierte Blueslieder« zu Gehör bringt...
»Wir trampeln im Kreis und singen Lieder, Jesus macht auch mit bei uns«, lässt Droste einen Ausländerfreund sagen und regt sich über »Menschenketten aus Nervensägen« auf.
Die lange und doch so kurzweilige Lesung würzte Droste singend mit einer guten Stimme. Besonders vom begeisterten Publikum belacht: »Müsse feiffa in de Wind«, eine »lichterkettenkompatible« Version von Dylans »Blowin in the Wind«, formuliert in astreinem Pidgin-Deutsch.
Die Veranstalter dieser erfolgreichen Lesung, der »Juzeli«-Trägerverein, kündigte für die kommenden Monate weitere Autorenabende im »Haus der Jugend« an.
Autor: Martin Gerner
Samstag, 16. Oktober 1993
Wiglaf Droste: Ätzend bissig
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