Samstag, 17. Juni 1995

Tab Two: Harmonisches Groove-Duo

Der Mann mit dem Miles-Ton und der schlaksige Typ am Baß waren wieder einmal auf Einladung des »Zentrum Zoo« in Tübingen zu Gast.

Das 94er-Gastspiel von Helmut Hattler und Joo Kraus - damals vor 200 Besuchern im »Tanzpalast« - war offensichtlich die allerbeste Eigenwerbung der beiden Ulmer: Jetzt traten sich 350 Fans im Club im Schleifmühlenweg stellenweise fast auf die Zehen. Und feierten zusammen mit den beiden »Tab Two«-Musikern fast zwei Stunden lang eine Nonstop-Party.

Am Ende war nicht nur Kraus patschnaß. Der Trompeter hatte sich schon vorher bis auf seine Latzhose aller Klamotten erledigt; die dichtgedrängten Fans mußten dagegen noch mehr als das Duo schwitzen: Keiner konnte sich den groovenden und elegant-lässigen, mal kräftig zupackenden, mal verspielteren »Tab Two«-Rhythmen entziehen.

Mit den Songs von ihrer vierten CD »Flagman Ahead« haben Hattler und Kraus zweifelsfrei Volltreffer gelandet - und Titel wie »Vraiment Paris«, »Swingbridge« oder das genial einfache »There's A Lot« zündeten live natürlich noch mehr: Absolut faszinierend mitanzusehen war, wie traumhaft sicher die beiden Musiker zusammenspielen. Mit ihren selbstverständlich erscheinenden Improvisationsausflügen lassen sie immer wieder vergessen, daß die Rhythmik - und auch ein paar flächige Samples - von »Kollege Computer« kommen, der äußere Rahmen also sehr festgelegt ist.



Bei »Tab Two« kommen Jazz und moderne afroamerikanische Tanzboden-Kost immer leicht goutierbar zusammen. Und doch sind die Linien des Ex-»Kraan«-Machers Hattler und seinem Trompeten-Kumpel Kraus keine einfache Kost.

Aber es kommt einem halt so vor, weil die beiden so gut sind. Und im »Zoo« übrigens auch bei diesem Konzert bestens aufgelegt. Hattler witzelt ständig - unter anderem darüber, ob die niedrige Bühne »jetzt zu tief ist, oder nur die Musiker zu breit, hihi«.

Kraus gibt den »zzzipp«-Choreinsatz fürs Publikum wieder wie Karate-Star Bruce Lee mit dem Fuß, und kommentiert, als er sich für »There's A Lot« die Akustik-Klampfe umschnallt, den Applaus des Publikums: »Ihr habt mich wohl noch nie Gitarre spielen hören!«

Natürlich hat er die paar Griffe hingekriegt - und ansonsten mit seinem Trompeten-Sound, der genauso magisch ätherisch sein kann wie der von Miles Davis, wieder alle verzaubert. Das »Tab Two«- Konzert war ohne Frage ein erster Höhepunkt im Programm des »10. Internationalen Tübinger Festivals«. (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...