Dienstag, 13. Februar 1996

Attila Zoller & Wolfgang Lackerschmidt: Lässige Jazz-Duette

Der Gitarrist Attila Zoller und Wolfgang Lackerschmidt am Vibraphon: Zwei international bekannte und gerühmte Jazz-Instrumentalisten — zu deren Konzerte in der Grossstadt Reutlingen man die Fans in der Vergangenheit schon fast schubsen mußte.

Die Münsinger strömten am Sonntag von ganz alleine in die Zehntscheuer, als der ungarische Kosmopolit und der bayerische Schlegel-Spezialist dort auf Einladung der »Gesellschaft der Musikfreunde« ein rund zweistündiges Konzert gaben: Mit rund 120 Besuchern war der Theatersaal bis auf den allerletzten Platz gefüllt.

Extra wegen der Kinder hatten die Veranstalter das Konzert schon nachmittags um fünf angesetzt — eine gute Idee, die bei dieser Veranstaltung auch angenommen wurde: Vielleicht eineinhalb Dutzend ganz junge Jazzfans hörten beeindruckend aufmerksam zu. Darunter auch die Kinder von Lackerschmidt, die mit der Mama im letzten Moment angereist waren: Ganz vorne saß der älteste Sohn des Musikers und hatte zumindest schon die Gestik und Mimik eines »richtigen Jazzers« drauf. Und des Vibraphonisten Kleinster war hinten voll mit dabei, als er lebhaft seinen mächtigen Bewegungsdrang im tragbaren Autositz abließ. Nur, als er dazu aus Leibeskräften eigene Sounds produzierte, störte das ein wenig. Papa hat dann hinter den Kulissen mit ihm geredet — und konnte darauf wieder im Duo mit Zoller spielen.



Beide zeigten sich — der, der die Biografien der stilistisch kaum festgelegten Musiker kennt, hat's erwartet — locker und lässig. Nicht überperfekt und akademisch, sondern extrem spielfreudig und oft auch im kindlichen Sinn verspielt gingen die beiden ans Werk.

Und waren offensichtlich mit den Konzertumständen recht zufrieden, trieben musikalische wie auch verbale Scherze: »Let's get rolling«, rief Zoller, als sich vor Beginn des ersten Sets erst der Drehstuhl selbständig machte, auf dem sein Gitarrenverstärker stand — und dann auch noch sein Hocker auf Rollen den Widerspenstigen spielte.

Mit »rolling« hatte das von den Münsingern mit gerechtfertigt lautem Applaus aufgenommene Konzert weniger zu tun, als vielmehr mit »swinging«. Egal, ob die beiden sich stilistisch eher im Cool-Gewässer oder hitzigeren Bebop-Gefilden bewegten, egal, ob der Rhythmus nun eher folkloristisch osteuropäisch oder südamerikanisch geprägt war: Zu hören gab es eben immer swingende, meist auch hochelegante Linien.

Wobei Lackerschmidt — auch im Vergleich zu seinem Gastspiel mit eigenem Trio vor wenigen Wochen in Reutlingen — in Münsingen stellenweise Atemberaubendes hinbekam: In ständigen, immer schneller werdenden »Ruf und Antwort«-Spielchen während der Zoller-Komposition »Hungarian Jazz-Suite« ließ er seine vier Schlegel dermaßen über die Metallplatten rasen, dass die eigentlich perkussionistischen Einzeltöne zu fast schon sanglichen Linien verschmolzen. Da staunte dann auch der weitgereiste Oberprofi Zoller. Die Münsinger ließen »Bravo«-Rufe hören. (mpg)

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In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...