Es gibt eine uralte Faustregel im Musik-und Showbusiness: »It's the singer, not the song« — nicht das reine Notenmaterial macht ein gutes Stück aus, sondern die Art und Weise, wie es gespielt wird. Dieser Satz wurde im Tübinger Jazzkeller mal wieder nachhaltig bestätigt, als jetzt vor ungefähr 50 Zuhörern Musiker aus der Region den »Electric Miles« aufführten.
Trompeter Sebastian Studnitzky, Klaus Graf am Saxophon, Ulli Möck am Klavier, Eberhard Schröder am E-Baß, Drummer Michael Kersting und ein kurzfristig für den verhinderten Stuttgarter Frank Kuruc eingesprungener Gitarrist ließen Stücke aus der letzten Lebensphase von Miles Davis hören: Titel wie »Mr. Pastorious«, »Freaky Deaky« und Songs anderer Platten, die der geniale Verblaser-Spezialist auf der Trompete in den letzten Jahren vor seinem Tod 1991 aufgenommen hatte.
Mag sein, daß die sechs Musiker sich weitgehend an die Original-Noten gehalten haben — der Zauber aber aller Stücke war einfach weg. Besonders gut nachzuhören war das bei »Time after Time«, einer Pop-Schnulze von Cindy Lauper, die erst durch Davis' Veredelungsprozeß zum Dauerbrenner wurde: In der Tübinger Version holperte dieser Titel arg unbeholfen.
Zu der Tatsache, daß die Musiker im Jazzkeller einfach nicht wie die letzten Miles-Bands klangen, kam noch Schwerwiegenderes dazu. Speziell Studnitzky, Graf und ganz besonders der Gitarrist nervten dadurch, daß sie eine gänzlich andere Philosophie als der große Meister selbst hatten. Die Devise von Davis an seine Musiker war, daß sie »nicht das spielen sollen, was sie eh' schon können, sondern das, was sie noch nicht im Schlaf beherrschen« . . .
Jedoch: Alle Mitglieder des Tübinger Sextetts schienen beweisen zu wollen, dass sie sehr gut und sehr opulent über Miles'sche Akkorde improvisieren können und nahmen sich selbst viel wichtiger als den Gesamtklang. Wer den Sound des späten Miles haben möchte, muß also nach wie vor auf eine (oder mehrere . . . ) der rund 90 Schallplatteneinspielungen des Meisters zurückgreifen. Man hätte es sich ja auch vorher denken können: Miles bleibt eben Miles. (mpg)
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