Daß die Tübinger »Music Factory« zur Zeit einen Riecher für die Bedürfnisse des Publikums hat, ist bekannt. Kaum ein Konzert in letzter Zeit, das nicht hervorragend besucht gewesen wäre. Am Samstag dann der vorläufige Rekord in 1996: Fast blieb dem Tonspion die Luft weg, als er das Tübinger »Sudhaus« zum Konzert der Lokalmatadorinnen von »Alice D.« und der Berliner »Lemonbabies« enterte. Schon am Eingang war ein Durchkommen kaum mehr möglich; im Saal trampelten sich die Fans in stickiger Luft fast auf die Zehen.
Die Veranstalter redeten von rund 400 Gästen — es dürften aber noch gut 100 mehr zugehört haben. Leider wieder mal, wie im »Sudhaus« üblich, erst nach langer Wartezeit.
Nur die Vorgruppe überzeugte: »Alice D.«, der bestens bekannte Frauen-Rock-Vierer aus der Region, bretterte knallhart zwischen Rock, Independent-Gitarren-Pop und Grunge seine treibenden Songs. Im Vergleich zu den viel bekannteren — »Lemonbabies« waren die Frauen von »Alice D.« die besseren Instrumentalistinnen. Und blöde Werbesprüche wie die Berlinerinnen haben die Szene-Eigengewächse auch nicht nötig: »Alice D.« ist einfach eine gute Band, die mit ihrer Musik überzeugt.
Die »Lemonbabies« — inzwischen vom kleinen Independent-Label zum »Major« Sony gewechselt — versehen ihre immer noch reichlich dilettantisch gemachte Musik inzwischen mit dem Etikett »Pussy-Pop«.
Schlagwort hin, Schlagwort her: Die vier sind seit ihrem letzten Auftritt in der Region in der Reutlinger »zelle« nicht viel besser, aber doch reichlich glatter geworden: Der mit einem kleinmädchenhaften Image kokettierende Satzgesang klingt homogener, die Instrumente weniger rauh — und damit halt auch ein wenig austauschbarer. Wie eine teutonische Kopie der »Bangles« klangen die »Zitronenbabies« im »Sudhaus« — nur längst nicht so perfekt. (mpg)
Dienstag, 12. März 1996
Lemonbabies: Mit Lolita-Image kokettiert
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