Von wegen Hysterie, von wegen Massenandrang: Beim Gastspiel des britischen Pop-Gesangsquartetts »East 17« in Stuttgart kreischten die Teenies im Vergleich zum 95er-Abstecher vergleichsweise verhalten — und die Schleyerhalle war nicht mal zu einem Drittel gefüllt.
Anscheinend genießen Tony, Terry, Brian und John doch nicht dieselbe Zuneigung der Nachwuchs-Fans im »wilden Süden« wie die dahingeschiedenen »Take That«. Eher vereinzelt flogen zu Beginn des 95minütigen Konzerts Plüschtiere, und die Zahl der Kreislaufzusammenhrüche lag im üblichen Rahmen. Daß die Sanitäter trotzdem was zu tun hatten, ist jedem klar, der das Verhalten der jüngsten Pophörer bei Konzerten ihrer »Lieblinge« kennt.
Bevor die vier mit Unterstützung eines Tänzer-Quartetts loslegten, gab's ein Vorprogramm, das zumindest erwachsene Popkonsumenten noch mehr langweilen mußte als der Hauptact: »Two Good« und eine weitere Band lieferten streichelweichen, sehnsuchtsvoll geschmetterten Soulpop klebrigster Sorte.
»Bei AC/DC war aber bedeutend mehr los«, meinte eine Mittvierzigerin, »die sind echt schlaff heute«. Na ja: Ganz zu Anfang (hei »Stay«), oder später bei »Do You Really Want Me«, »Set Me Free« oder »Let It Rain« schlugen die Wellen der Begeisterung schon hoch — aher nur kurz.
Dem unheteiligten Konzertheohachter schien's fast, als wüssten viele im extrem jungen Publikum noch nichts vom rechten Party-Timing: Wer sich zu früh die Seele aus dem Leib hrüllt, den bestraft der Kreislauf . . .
Das Quartett aus London wußte mit den Kräften besser umzugehen: Die meiste Zeit sangen nur zwei oder drei von vieren das Hitprogramm. Das Engagement, ihre Fans mitzuziehen, hielt sich hei »East 17« in deutlichen Grenzen. Da strengen sich andere mehr an — das Paradeheispiel »Take That« braucht gar nicht bemüht werden.
Musikalisch hrachte die Gruppe den bekannten, mit Soulklischees versetzten Mainstream-Pop — und lange Passagen mit (sowieso) unverständlichem Gerappe noch dazu. Die Sprechgesangs-Passagen klangen rhythmisch oft bemüht und — im Vergleich zu dem lockeren Reimfluss afroamerikanischer »Kollegen« — aufgesetzt.
Insgesamt arbeiteten die Jungs und ihre profihaft routinierten Begleiter — drei Backgroundsänger, drei dröhnende Keyboarder, Perkussionist, Schlagzeuger und Gitarrist — solide. Und halt auch ein bißchen unspektakulär und einfallslos.
Der mittelmäßige Eindruck wurde durch die schlechte Beschallung und das mengenmäßig opulente, aber ansonsten nicht besonders geschmackvolle Licht verstärkt. Mag sein, dass manch ein Teen-Fan noch eine Weile beim Blick auf den »East 17«-Starschnitt feuchte Augen kriegt, wenn er sich an das Konzert erinnert. Alle anderen haben den Abend wahrscheinlich schnell wieder vergessen. (mpg)
Samstag, 18. Mai 1996
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