Was für eine Nacht: Zum Gänsehautkriegen, wie schön, mächtig und tief die »Voices d'esperance de Doula« in Stuttgarts »Musical Hall« klangen. Der 15köpfige Chor aus Kamerun und seine Solisten sind das erste Mal in Europa auf Tournee — und fürs verwöhnte Westler-Ohr eine echte Entdeckung. Vom Gospel bis hin zu Funk, ultramodernen »Ragga«-Gerappe und Dancefloor-Vokalschnipseln reicht die Palette der ausgezeichneten Sänger.
In der zu drei Vierteln gefüllten »Musical Hall« wurden die Sänger, die auch mit perfekten Calypso-Grooves und selbst brasilianischem Feeling begeistern konnten, von einer ausgezeichneten Band deutscher Musiker begleitet. Neben einem fünfköpfigen, sehr exakt aufspielenden Bläsersatz, den »Munich Horns«, machten der dynamisch sehr empfindsame Keyboarder Jo Barnikel, Multitalent Norbert Nagel — am Bass ebenso überzeugend wie auf Saxophon, Klarinette und Flöte — sowie der Perkussionist Stephan Wildfeuer Musik. Sie alle musizierten zwischen leisem Pop und ausgelassenen Afro-Grooves auf allerhöchstem Niveau.
Dass dieses Konzert beim Chronisten trotzdem einen mehr als schalen Eindruck hinterlässt, liegt an dem Mann am Klavier: Mit der »Gamsig«-Show, wo alle bisher Genannten als »Angestellte« mitspielen und -singen, macht sich Konstantin Wecker keine Ehre.
Stellenweise übel anbiedernd (der Technobeat in »Sage nein«), unendlich bemüht (wenn der Meister öffentlich als Jazz-Scatsänger übt) und aufgesetzt (immer dann, wenn Wecker meint, den Afrikaner in sich zu spüren) wirkt seine Vorstellung.
Wenigstens kann man Wecker zu seinem offensichtlichen Abschied vom Kokain gratulieren: Im Vergleich zum letzten besprochenen Konzert vor einem Jahr in Bad Urach intonierte Wecker diesmal sicher und mit kräftiger Stimme, hat offenbar auch als Pianist seine alte Form wiedergefunden. Im schlichtweg perfekten Bühnenlicht der »Musical Hall« sah der Liedermacher auch blendend gesund aus, wagte sogar ein Rock-'n'-Roll-Tänzchen.
Hätte er es doch lieber bleiben lassen! Seine Version des »Blues Brothers«-Hits »Soulman« ist musikalisch völlig überflüssig, vom Feeling her wirkt das Ganze aufgesetzt.Dazu legte Wecker im Original-Gangsteroutfit ziemlich hüftsteif besagten Tanz hin.
Genauso peinlich und aufgesetzt wirken Weckers Versuche, mit dem natürlichen Rhythmusgefühl und der wunderbar gefühlvollen Phrasierung seiner afrikanischen Gäste gleichzuziehen. Gut gemeint ist halt wirklich nie gleichzusetzen mit gut gemacht — und das gilt auch für einige neue Texte Weckers.
Daß er sich freut, in reifen Jahren noch im Vollbesitz seiner Manneskraft zu sein, geht ja in Ordnung. Aber muss er deswegen gleich ins »Gamsig« bekennen: »Sogar das Strassenbahngeschell, erregt mich Armen sexuell?«
Neben solchen »Werken« gab's Altbekanntes, teilweise in neuem Gewand: »Was ich an dir mag«, »Kokain«, »Heit No« und als erste Zugabe nach den »standing ovations« »Was für eine Nacht«. Das war dann einer der wenigen Augenblicke, wo der Publikumsliebling wirklich »echt« wirkte. (mpg)
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