Dienstag, 28. Mai 1996

Lisa Fitz: Himmlisches Spektakel

»Gehn's gleich oder bleiben's da, aber jammern's nachher nicht«: Keiner der 500 in der Listhalle Reutlingen hätte sich beschweren können, er sei nicht vorgewarnt worden. »Religion is' nix für Weicheier«, sagt Lisa Fitz also in ihrem neuen Programm.

Die bayerische Kabarettistin mosert diesmal aus der Perspektive einer hoffnungslos überarbeiteten Gottesmutter für Humanität und wider Intoleranz und Teilnahmslosigkeit.

Sie tut das zusammen mit Ali Khan, der einen Schutzengel abgibt, und drei Begleitmusikern, die - wenn sie nicht ziemlich derb rockmusikalisch in Saiten und Tasten hauen — auch noch als reichlich doofe Himmels-Bedienstete herhalten.

Weniger kabarettistisch als vielmehr prall komödiantisch hat die Fitz ihr langes Programm angelegt; die »Botschaft« kommt erst im zweiten Teil so richtig durch. Gut zweieinhalb Stunden lang spielen die fünf — ein bißchen weniger hätt's (der Spannung zuliebe) wahrscheinlich auch getan.

Die Reutlinger genießen das Spektakel aber offensichtlich: Permanentes Gekicher und Gelächter begleitet die Bühnenakteure. »Is der Mitterand scho do?« fragt zum Beispiel Engel Ferdi, als er — nach einem Crash mit einem Verkehrsflugzeug — wieder heil bei Maria gelandet ist.

Der Heilige Geist nervt die beiden nicht nur die ganze Zeit via Anrufbeantworter, sondern kriegt's auch mit der Unsterblichkeit nicht so ganz auf die Reihe: »Da hat der Depp doch neulich auf dem Münchner Viktualienmarkt vergiftete' Tauben-Kötndl g'fressen, da war's ihm eine Woche lang schlecht«.

Diejenigen, die um ihre religiösen Gefühle fürchteten, kamen (fast) ganz heil wieder aus der Vorstellung heraus. Bis auf einen Satz — »den Jesus hab'ns aufgehängt und die Nachgeburt, die Kirche, großgezogen« — kann gläubigen Menschen (sofern sie überhaupt zuhören) eigentlich nichts weh tun im neuen Fitz-Programm. Die Reutlinger haben zum Jammern keinen Grund. Tun sie auch nicht, im Gegenteil: Satter Applaus in 's in der Listhalle für Lisa Fitz, Ali Khan und die Band.

Autor: Martin Gerner

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...