Dienstag, 11. Juni 1996

United Jazz + Rock Ensemble: Fast ohne Risiko

Neues von der »Band der Bandleader« gab's in diesen Tagen im Stuttgarter »Theaterhaus« zu hören. Trotzdem hat die Faszination des »United Jazz & Rock Ensembles« aufs Publikum stark nachgelassen.

Die Ankündigungsplakate mit Jubiläums-Werbung waren noch wohl Restbestände vom letzten Jahr, als die zehn Musiker um den Bandgründer und heimlichen Leader Wolfgang Dauner tatsächlich ihr 20jähriges Zusammenspiel feierten — und nützten wenig: Weniger als 300 hörten jetzt im abgehängten Saal des Wangener Kulturzentrums zu.In seinen besten Zeiten Ende der 70er füllte das »UJ & RE« locker 2 000er-Hallen.

Nach dem Konzert, das in schier unerträglicher Schwüle über die Bühne ging und von Musikern wie Publikum enorm viel Kondition forderte, drängte sich der Eindruck auf, daß die nach wie vor technisch exzellenten und extrem routinierten Musiker selbst schuld sind an dem Fan-Schwund: Dauner, Mangelsdorff, Thompson, Hiseman und Co. führten zwar sechs neu komponierte Stücke und vier Neuarrangements alter »Hits« (etwa Dauners »Drachenburg«) auf — aber verliessen fast nie die von ihnen bekannten harmonischen Schemata und Arrangier-Stile.

So vermißte man beim Stuttgarter Konzert Frisches, Schräges, Ungewöhnliches. Stattdessen gab's vollprofessionelle Routine. Klar, daß keiner der Musiker in der »Theaterhaus«-Sauna große Lust hatte, engagiert seine Seele in Töne umzusetzen. Aber ein wenig mehr Mut zum Risiko und weniger Rückgriffe auf bewährte Erfolgsrezepte hätte es trotzdem geben dürfen.

Lediglich Saxophonist Christof Lauer, Nachfolger des 1995 offiziell aus Altersgründen ausgestiegenen Charlie Mariano, war mit seinem tief emotionalen Spiel in der Tradition John Coltranes für eine Gänsehaut gut.

Schön auch Ack van Rooyens »Wounded Love«, wohltönerisch bis zum »geht-nicht-mehr« Volker Kriegels »Double Bind«.

Logisch, daß die wenigen, die bei der Affenhitze überhaupt zuhören wollten, wahre Härte-Fans des »United Jazz & Rock Ensemble« sind. Nur so ist zu erklären, daß der »Bebop Rock« als Zugabe (ächz, schon wieder...) bejubelt wird, als wäre der Titel brandneu.

Beim Rezensenten kam als Haupteffekt des Stuttgarter Konzerts nur die Erinnerung an (in diesem Fall wirklich bessere) alte Zeiten hoch. Für den Ruf der Musiker bei ihren Kollegen und mittelfristig auch den Fans wäre es zweifelsfrei besser, das Bandprojekt sterben zu lassen und auf die sicheren Einnahmen zu verzichten, anstatt beim Erreichten zu verharren. Sonst können die zehn nämlich das Wort »Jazz« das ja Spannung, Improvisation, Neuland verspricht — ersatzlos aus dem Gruppennamen streichen. (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...