Jeder halbwegs die Szene aktiv beobachtender Jazzfan kennt sie, kaum einer findet bei dieser Formation ein Haar in der Suppe. Höchstens, dass man »Nevertheless«, die Band von und um den Trompeter Claus Stötter, viel zu selten hier in der Gegend hören kann. Saxophonist Matthias Erlewein ist in Köln zu Hause — und Yves Torchinsky (Baß) sowie Drummer Francois Laizeau kommen aus Frankreich: Klar, daß da gemeinsame Konzerte schwierig auszumachen sind.
Jetzt war's mal wieder soweit. Der Tübinger Jazzclub hatte — sozusagen als Saison-Abschluß — gemeinsam mit dem »Depot« zum Open-air-Konzert in den Hof des Clubs in der Eisenbahnstraße eingeladen.
Eine prima Idee, wie sich herausstellte: Nicht nur, dass die heruntergekommene Industrie-Architektur, von Fackeln beleuchtet, dem Konzert eine ganz besondere Atmosphäre gab — die akustischen Verhältnisse waren überraschend schlichtweg hervorragend. Der Autor kennt jedenfalls in weitem Umkreis keinen Platz, wo der Sound — ohne grössere Manipulationen seitens des (guten) Tonmischers — dermassen klar durchgezeichnet und homogen ist.
Stötter, Vibraphonist Dizzy Krisch und die drei anderen liessen sich von dem luftigen Klang und dem schrägen Ambiente offensichtlich mitreissen — und spielten gut zwei Stunden lang noch besser, als man es von »Nevertheless« sowieso schon gewohnt ist.
Neben einigen Stücken von der hervorragenden »Nevertheless«-CD — unter anderem das Titelstück »But, Where Is The Exit?«, die Hermeto-Pascoal-Hommage »Hermeto« oder »Miles Away« — gab's vier brandneue« Nevertheless«-Stücke. Eines davon gar eine »Uraufführung mit starrem Blick in die Noten«, wie Stötter witzelte.
Später, als der Trompeter nochmal Neues (mit einer gleichzeitig kinderliedhaften und dabei ziemlich vertrackten Melodienführung) ankündigte, ließ sich Saxer Erlewein — wie Stötter selbst ein perfekter Techniker, der sein Können aber nie selbstgefällig demonstriert — zu der Bemerkung hinreissen: »Mann, ist das schwer!«
Tja — und dabei gibt's doch weit und breit kein anderes Jazzensemble, das auf dermassen hohem Nivau dermassen eigenständige Musik mit so grosser, geradezu lässiger Selbstverständlichkeit produziert.
Die knapp 150 »Depot«-Gäste honorierten das besondere Konzert mit besonders viel Applaus: Zwei Zugaben gaben Claus Stötter und seine Band. (mpg)
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