Wayne Shorter, der afroamerikanische Jazzsaxophonist, hat ohne Zweifel Musikgeschichte geschrieben. Ob als kongenialer Begleiter von Miles Davis, ob als einer der Köpfe der erfolgreichen Fusion-Vordenker von »Weather Report« oder in der All-Star-Gruppe »V.S.O.P.« — stets überzeugte Shorter mit seinem ureigenen Saxophon-Ton. Und mit einer kompositorischen Raffinesse, die ihn weitab vom Mainstream schwimmen ließ.
Schade, daß von der Experimentierfreudigkeit des Saxophon-Meisters bei seinem Stuttgarter Konzert nichts zu spüren war. Das lag auch mit daran, daß Shorter und seine fünf Begleiter hauptsächlich das Material der neuen Platte »High Life« spielten. Da ist Shorter der uramerikanischen Showbiz-Seuche erlegen, alles in dicke Zuckerwatte zu verpacken.
Besonders im Jazz ist es eigentlich keine Frage, daß Livekonzerte mit dem Sound der Platten nicht viel zu tun haben müssen. Aber statt locker miteinander zu spielen, schlugen sich im mit rund 300 Besuchern nur spärlich gefüllten Mozartsaal sechs Musiker mit einem wahren Wust von Notenpapier herum. Und donnerten in ohrenbetäubender Lautstärke zwar hochkomplexe, aber letztendlich doch nur klischeehafte Musik in den Saal.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Da waren zweifellos hervorragende Techniker am Werk, Musiker, die ihr Instrument aus dem EffEff verstehen. Gitarrist David Gilmoure zeigte sich sowohl als Begleiter rhythmisch versiert wie solistisch einfallsreich, ex-»Living Colour«-Drummer Will Calhoun verbindet in seinem Spiel den federnden Puls eines Tony Williams mit zupackendem Blues- und Funk-Feeling, die Bassistin Tracy Wormworth zupfte aberwitzige Grooves. Wayne Shorters Spiel steht — wenn er spielt — außer Frage, sein Ton ist betörend.
Aber was soll das permanente Zurschaustellen spieltechnischer Fertigkeiten? Warum müssen alle gleichzeitig »volle Kanne« spielen?
Die beiden Keyboarder der »Wayne Shorter Group«, Rachel Z. sowie das kurzfristige ehemalige »Miles Davis Group«-Mitglied Adam Holzman, taten las, was die meisten Keyboarder tun: Sie spielten zuviel, waren auch notenlesend dazu verpflichtet.
Rachel hatte zudem deutliche Schwierigkeiten im steten schnellen Wechsel zwischen (fast unhörbarem) Flügel und Sampler-Keyboard; Holzmans solistische Beiträge nerven in ihrer Klischeehaftigkeit immer noch so wie zu Miles-Zeiten.
So dröhnten alle zwei Stunden lang von einem »Das hab' ich doch schonmal gehört«-Muster zum nächsten, Shorter spielte wie üblich mit versteinertem Gesicht. Erst bei der Zugabe, wo es »etwas fürs Herz . . . und die Lungen, hihi« gab, klang der Sound etwas frischer und origineller: Eine kleine Entschädigung für ein letztendlich enttäuschendes Konzert. (mpg)
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...