Montag, 12. Mai 1997

Fury in the Slaughterhouse: Wie damals in der Jugend

»Wir haben 1,7 Millionen Platten verkauft, und uns kennt keine Sau«, jammert »Fury« Thorsten Wingenfelder. Ganz so schlimm wird's schon nicht sein: Stuttgarts Messehalle B auf dem Killesberg war beim Gastspiel von »Fury In The Slaughterhouse« fast ausverkauft — und die vielen Fans dem Eindruck nach hochzufrieden mit den »neuen«, konzeptionell wie besetzungsmässig umgekrempelten Rock-Gäulen.

Die Hauptgruppe des Abends bekam wesentlich mehr Beifall als der um Klassen einfallsreichere John M. Watts (ex-»Fisher Z.«) im Vorprogramm — und als Sänger Kai Wingenfelder nach ungefähr einer halben Konzertstunde die Bühne für ein paar Kinderlieder kurzerhand nach hinten, mitten in den Saal hinein verlegte, gibt's drumherum nur noch strahlende Gesichter zu sehen: Zumindest in ihrem Habitus geben sich die »Furys« immer noch als die netten Kumpels von nebenan mit den ausgeleierten Klampfen - eigentlich genau das Richtige für einen WG-Ausflug im Uralt-VW-Bus zur Lagerfeuer-Session.

Ähnlich lässig (und leider auch dilettantisch) wie »damals in der Jugendgruppe« klangen die Hannoveraner auch im Stuttgarter Live-Konzert: Statt der fein ausgetüftelten Studio-Sound-Finessen auf ihren Platten gibt's puren Rocksound, nicht sonderlich gut verstärkt.

Da fällt noch deutlicher als auf den »Fury«-CDs auf, dass die Musiker das meiste, was sie spielen, nicht selbst erfunden, sondern — wenn auch geschickt — bei anderen zusammengeklaut haben: Ein bißchen »Police« hier, vier Takte frühe »R.E.M.« dort, ab und zu ein wenig weltgeschmerzter Gesang a la »U 2«.
Originalität ist also nicht der deutschen Rocker Stärke — und sicheres musikalisches Handwerk zumindest auf dem Killesberg auch nicht. Die ganzen zwei »Fury«Stunden über stiessen unvoreingenommenen Beobachtern derbe Abstimmungschwierigkeiten zwischen den Musikern und regelrechte harmonische wie spieltechnische »Hänger« übel auf — und wieso Sänger Kai ausgerechnet bei der auf Platte sehr atmosphärischen (und gewiß nicht übermässig schwierig zu singenden) Ballade »Black Orchid« anscheinend alles vergißt, was er mal über Intonation gelernt hat, bleibt unerklärlich.

Auch wenn die »Furys« später doch noch kurz die Kurve kriegen und mit schönen Wimmer-Bottleneck-Gitarrenpassagen etwas Stimmung in die Messehalle zaubern: Da waren keine Rock-Heissblüter am Start, sondern ziemlich lahme Ackergäule. (-mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...