Die Jamaikaner sind ein Volk der Geschichtenerzähler und immer für einen guten »Joke« zu haben, heißt es.
Die originalen »Wailers« würden jetzt nach Tübingen kommen, hiess es.
Das war eine prinzipiell gute Story, die sich am Freitagabend in der Mensa Wilhelmstraße aber nur als schlechter Witz entpuppte.
Daß die toten Reggae-Götter Bob Marley und Peter Tosh — ohne diese beiden Gruppen-Gründer gäb's den Bandnamen vermutlich überhaupt nicht — auch in Tübingen nicht auferstehen würden, war vorher schon klar.
Aber: Ausgerechnet die beiden halbwegs Prominenten der verbliebenen »Wailers« (die früher ja nicht die Stars, sondern nur Begleiter waren), patzten in der Mensa. Den soundprägenden Leadgitarristen Al Anderson suchten Härtefans ebenso vergeblich wie Junior Marvin, ebenfalls Gitarrero und »Wailers«-Motor in der Ära nach dem Tod Bobs. Der eine soll einen Autounfall gehabt, der andere sich mit seinen Musikerkollegen zerstritten haben; am Konzertabend selbst kursierten die wildesten Gerüchte und Geschichten.
Aus Kreisen des Tourpersonals war — wieder gerüchtehalber — zu erfahren, daß Anderson mit dem während der Tournee gelieferten »Ganja« nicht zufrieden gewesen sein soll und deswegen ganz dringend nach den heimischen Pflänzchen hat schauen müssen...
Der lokale Veranstalter Bernd Wurster hat von dem — versuchten oder tatsächlichen — Etikettenschwindel der »Wailers« nichts gewusst, sagt er jedenfalls.
Und die meistem der rund 850 Fans haben sich um die Besetzung der Band offensichtlich ebenso einen Dreck geschert wie um die Originalität der Musiker. Die gingen — wie auch bei den letzten beiden Tübinger »Wailers«-Gastspielen — auf Nummer Sicher und präsentierten professionell die Top 20 der Marley'schen Hits in akustisch annähernd deckungsgleichen Coverversionen. Und das Fanvolk wiegte sich wie immer zu »Kaya«, »One Love«, »Get up, stand up« und anderen Klassikern in beseelter Stimmung. (-mpg)
Freitag, 30. Mai 1997
Wailers: Mogelpackung unter großem Namen
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