Samstag, 28. Juni 1997

Bürger Lars Dietrich & Der Wolf: Schnellschwätzer unter sich

»Land unter« beim Tübinger Kulturzelt: Beim rein deutsch besetzten Rapabend goss es vor dem Konzert, mittendrin und nachher wie aus Kannen ...

Rund 500 Zuhörer verloren sich im weiten Rund des Zelts. Netterweise ließ »Bürger Lars Dietrich« nicht allzulange auf sich warten — und lieferte, jedenfalls gemessen am Durchschnitt der Hüpf- und Hopf-Szene, ein überdurchschnittliches Konzert.

Nicht nur, dass der durch seine Zusammenarbeit mit TV-Dampfplauderer Stefan Raab bekanntgewordene Rapper sehr genau und deutlich artikulierte — auch seine fünfköpfige Band (mit »richtigen« Musikern) ging sehr professionell und musikalisch erstaunlich abwechslungsreich ans Werk.

»Um den Verstand«, »Lars, das war's«, »Dicke Dinger« und, natürlich, »Sexy Eis« — die leichtfüßigen Texte des Rappers kamen im Verbund mit der geschickt aus 70er-Versatzstücken geklauten Musik bei jungen Sechsjährigen (!) ebenso gut an wie bei den zwei Handvoll Beobachtern im Mittelalter.

So ziemlich alle erfolgreichen Bestandteile aus der Disco-Frühzeit, aus Soul und Funk kombinieren »Bürger Lars Dietrich« und seine Musiker zu einem stets tanzbaren, stets leicht ins Ohr gehenden, lässigen HipHop-Soundtrack: Nach zehn Minuten hatten zumindest die ersten Reihen das miese Wetter anscheinend vergessen — und als nach einer Stunde Schluß war, wollten alle noch mehr hören.

Aber da gab's ja auch noch, nach fast 40 Minuten Warten, den Hauptact. Beim »Wolf« fiel zuerst einmal die schlagartig verbesserte Tonqualität der Beschallung auf: Wahrscheinlich mußte der Mann am Mischpult »Bürger Lars Dietrich« per Vertrag bewußt schlechter abmischen; diese Art von faulen Tricks sind durchaus üblich in der Branche.

Genutzt hat die feine Technik trotzdem nix: Der Düsseldorfer Schnellsprecher nuschelte nicht nur, sondern nahm durch sehr gleichförmige Betonung sämtliche Sprechgesangs-Dramatik aus seinem Vortrag — anders gesagt: Er leierte oft seine Texte herunter.

Das Tübinger Konzert erwies sich auch das kein Pluspunkt — fast hundertprozentig identisch mit der Platte, dem jüngst erschienen »Album«. Schon die Intro-Sequenzen glichen sich wie ein Ei dem anderen — und die 1:1 von der Studioproduktion übernommenen Arrangements von »Gibt's doch gar nicht«, dem »ultimativen Lover«, »Wirf die Waffe weg«, »Die Frau aus Seide« und des Wolfs Riesen-Hit »Frau Schmidt« klangen live halt nur schlechter.

So unbefangen-locker vorher »Bürger Lars Dietrich« mit dem Fanvolk kommuniziert hatte und immer wieder gekonnt in improvisierenden Scatgesang abgeglitten war, so steif und pennälerhaft linkisch absolvierte der nicht sehr bissige »Wolf« sein kurzes Set, das stellenweise fast wie eine routinierte Pflichtübung wirkte. Nach einem fast vollständigen Komplett-Durchlauf der Platte war Schluss — und dem »Wolf« und Co. fiel nichts Besseres ein, als »Das gibt's doch gar nicht« nochmal zu spielen. Wie langweilig.   (-mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...