Entweder hat es sich nach einiger Anlaufzeit allmählich in der Szene herumgesprochen, dass es ab und zu montags »Round midnight« im Tübinger Zimmertheater Jazz zu hören gibt — oder es waren einfach die prominenten Namen, die jetzt für überdurchschnittlich grosse Publikumsresonanz sorgten.Beim Konzert von »Noise allegretto« — Krach-Fans kennen diese Viererbande schon seit Jahren — jedenfalls blieben kaum Plätze frei.
Konzeptionell gab's nichts grundsätzlich Neues von dem Tübinger Ensemble zu hören — aber spontan improvisierte Musik kann ja eigentlich gar kein Verfallsdatum haben, oder? Helmut Müller (Saxophon), Friedemann Dähn (Cello, Elektronik, Keyboard) und Perkussionist Manfred Kniel spielten höchst expressiv schräge, je nach Geschmack aufregende bis nervige Musik, die früher wahrscheinlich ohne Widerspruch in der Schublade »Free Jazz« verstaut worden wäre — heute, wo »free« ein gewisses G'schmäckle hat, werden solcherlei heftige Gefühlsäusserungen akustischer Art halt »Noise« genannt . . .
Die Ton-Gemälde der drei zehrten auch im Zimmertheater von der anscheinend unerschöpflichen Lust der Musiker, eingefahrene Hörgewohnheiten zu zerstören. Müller, der auch zwischendrin lediglich auf seinem Sax-Mundstück herumfiepste, war mit seinem unverstärkten Tenor klanglich noch dem »normalen« Klang des Instruments am nächsten.
Seine oft weitgeschwungenen, manchmal erdrückend melancholisch tönenden Linien gaben einen reizvollen Kontrast zu den nervös-aufgeregten Saiten-Tänzen ab, die Dähn auf seinem in Design und Klangvermögen futuristischen Cello vollführte.
Und Manfred Kniel legte nicht nur am Anfang los wie ein Wilder. Mehr als einmal schichtete er mit Präzision und Einfallsreichtum unterschiedliche Rhythmen so dicht und verzahnt aufeinander, dass sich die einzelnen Schläge zu einer stellenweise fast sanglichen Struktur verbanden. Auch er probiert ständig ungewöhnliche Spielweisen aus, verändert den Klang der Felle durch aufgelegte, zusätzlich resonierende Gegenstände.
Zur schrägen Musik kamen — das gehört bei diesen Krachmachern zum System - unkonventionelle, expressive, manchmal vom Dada-Geist angehauchte Texte und Gedichte von Ernst Herbeck, Otto Tschirner, Edmund Mach und anderen. Gerhard Polacek war der gut spielende Sprecher. Den Tübinger Nachtschwärmern hat's gefallen. (mpg)
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...