Fast so etwas wie ein Wunder: Trotz strömenden Regens und viel zu kühler Witterung fiel das »AfroBrasil 97«-Festival auf dem Tübinger Marktplatz nicht ins Wasser. Im Gegenteil: Die Stimmung unter den aufgespannten Regenschirmen war am Samstagnachmittag durchweg erstaunlich gut - und spät abends, als der Top-Act »E o Tchan« die Trommeln sprechen liess, gab's zumindest unter den Brasilianern im Publikum fast kein Halten mehr: Pure Begeisterung stand in vielen Gesichtern, hemmungsloses Tanzvergnügen war angesagt.
In musikalischer Hinsicht bot die zehnköpfige »Supergruppe« mit ihrem recht konventionellen Party-Sound keine Überraschung — und die mit derben sexuellen Anspielungen gespickte Show überschritt öfters die Grenzen des guten Geschmacks.
Daniela Mercury lieferte dagegen eine Show, mit der sie jedem internationalen Anspruch genügt. Die Sängerin hat im Vergleich zu ihrem ersten Tübinger Auftritt vor Jahren an gesanglicher und darstellerischer Reife noch zugelegt: Wer ihre ausgefeilte, perfektionistische Vorstellung auf dem Marktplatz gesehen hat, versteht, warum Mercury von Broadway-Producern die Musical-Rolle der berühmten brasilianischen Sängerin Carmen Miranda für 25 Millionen Dollar angeboten wurde.
Daniela lehnte ab und präsentiert lieber ihr eigenes Ding: »Feijao com Arroz« ist ein bis ins letzte Detail ausgefeiltes, wirbelnd schnelles Spektakel, das ganz besonders auch wegen der hervorragend und präzise umgesetzten, schwierigen Choreographie überzeugt.
Schade, dass nicht Mercury, sondern die nachfolgenden »E o Tchan« in den Genuss eines optisch von Pit Eitle und Friedrich Förster »umgebauten« Marktplatzes kamen: Die Tübinger Lichtkünstler gaben den Hausfassaden mit Hilfe riesiger Diaprojektoren ein neues Aussehen — und ernteten viele respektvoll staunende Blicke für ihre Präzisionsarbeit.
Selbst nach dem hitzigen Taumel auf dem Marktplatz bis Mitternacht hatten viele noch nicht genug: Gut 1 000 Brasil-Fans festeten im Foyer noch bis in den frühen Morgen hinein weiter — mit antreibender Live-Tanzmusik von Carlos Pitta, der dort noch einmal seine schnelle »Forrö«-Musik spielte: Schon auf dem Marktplatz hatte er als allererster die Fans schnell in Stimmung gebracht.
Gilberto Gil Superstar: Der erneute Tübinger Auftritt des Übervaters der »Musica Popular Brasileira« überstrahlte am Sonntag das sowieso schon hervorragende Musikprogramm: Ungebremster Jubel herrschte da unter seinen Landsleuten. Celina Peireira von den Kapverden bildete mit einer musikhistorisch fundierten Vorstellung weiter und gefiel mit ihrem warmen, ausdrucksvollen Alt.
Die Japaner von »The Boom« — ihre Fans hatten sie gleich mit eingeflogen — liessen es mit einer sehr ungewöhnlichen Mischung aus traditioneller japanischer Musik, Funk, Samba und prügelhartem Metal krachen. (-mpg)
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