Zur »Außenstelle der Volkshochschule« wurde das Reutlinger Naturtheater am zweiten Tag des Comedy-Festivals umfunktioniert: Piet Klocke brachte ungefähr 800 Fans »HipHop für Angestellte« näher - und alle, besonders aber Pop-Liebhaber, mit seiner musikalisch wie verbal wie mimisch sehr komischen Vorstellung zum Lachen.
Klocke spielte nach der Aufwärmrunde durch »Frl. Wommy Wonder« seine eigene Vertretung — er kam als Ersatz-Dozent Schmitt-Hindemith auf die Bühne. Der berichtete, dass der Chef selbst »nicht kommen konnte«, weil er — der auch schon mal einen »Surfkurs für Wasserallergiker« angeboten hat — »von einem Kleinkind angeschwommen wurde«.
Na, immerhin hat Schmitt-Hindemith einen ganzen Stapel Manuskripte mit dabei, und »Fräulein Kleinknecht« (Klockes Partnerin Simone Sonnenschein hatte wesentlichen Anteil an der mimischen Komik) noch dazu. Um was es geht (»Kommunion . . . ääh . . . Kommunikation leichtgemacht«), hat Schmitt-Hindemith gerade noch mitgekriegt — aber daß er, der von Musik eigentlich gar keine Ahnung hat, jetzt seinen Schülern was von »Musikstilarten des auslaufenden Jahrtausends« erzählen soll, treibt ihm schon den Schweiß auf die Stirn.
Klocke, der Erfinder dieses durchgeknallten, hochneurotischen und ebenso sprachgehemmten »zerstreuten Professors«, hat offensichtlich jede Menge Ahnung von Musik. Klischierte Zitate querbeet — von Sprachfetzen amerikanischer Rapper über komplette Freejazz-Saxophon-Soli — bis zu brachialem Heavy-Metal-Gedröhne hat er gesammelt und sehr geschickt in seinem Sampler geordnet: Auf Popfans wirken schon allein diese Schnipsel — sehr versteckt, aber fein ironisch die immer gleichklingenden Samples vier verschiedener »schwieriger Metallstile« - sehr erheiternd.
Zu den hochmusikalischen Kapriolen Klockes und seiner Partnerin — die nicht nur in der Mitte des Programms mit einem flüssigen Sax-Solo Klasse zeigt — kommen jede Menge verbale Späße. Das fängt mit der Theorie um die Ursprünge der Musik (»das haben die Dinos nach dem Essen gepfiffen . . . «) an und hört mit aberwitzigen Verdrehungen der tatsächlichen neueren Musikgeschichte auf.
»Die Jazzer lassen dauernd was weg, aber die Zuhörer, die sind beim Jazz so intelligent, die wissen genau, was der Musiker gespielt hätte«, läßt Klocke seinen Professor definieren, und setzt, haarsträubend, noch ein Beispiel drauf: »Der Mike Davis, ehe, er hört's ja nicht mehr, der hat ein paarmal seine Trompete geschwenkt und dann haben die Experten gesagt: Mein Gott, hast du gehört, was der Meister heute wieder alles wie weggelassen hat?«
»Nur« mit solchen und vielen ähnlich gestrickten Insider-Scherzen, »nur« mit all seiner musikalischen Erfahrung als Theatermusiker und gut beschäftigter Filmkomponist wäre Klocke wahrschemlich niemals so populär geworden, wie er es zur Zeit gerade ist.
Am meisten reizen seine Fans - nicht nur im Naturtheater - wohl seine in der Komiker-Szene ziemlich einmalige Gestik und Mimik zum Lachen: Wenn »Schmitt-Hindemith« zu einer seiner Definitionen ansetzt, dann wedeln die Arme über die ganze Tischbreite, und jedes Wort wird herausgequält.
Klocke zeigt sich als ein Meister der Halbsätze und unausgesprochenen Andeutungen — kaum eine Wortreihung, in der Subjekt, Prädikat und Objekt noch in gesitteter Beziehung zueinander stehen.
So erfahren die Kursteilnehmer alles und, so sie die wahren Begebenheiten nicht kennen, letztendlich doch wieder nichts über »Funk aus Afrika«, die »US-Ghettos für Amerikaner« und Mundharmonikas, die sich Gedanken über den Blues machen, während sie auf »irgendwelchen Baumwollfeldern herumliegen«.
Nach dem heftigen Beifall geurteilt, werden die Klocke-Fans wohl gerne weitere Seminare belegen wollen, — auch wenn sie wegen Unaufmerksamkeit, Johlen und Klatschen (»Herrschaften, das geht alles von Ihrer Zeit ab!«) bis dahin noch »zweimal das Programm in gotischer Schrift abschreiben« dürfen... (-mpg)
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