Die Schlagzeile war gut gewählt: »Immer Ärger mit Harry« hatten Hermann Bausinger und Dietrich Segebrecht ihren Literatur-Abend in der Reutlinger Stadtbibliothek betitelt.
Es ging in der recht kurzweiligen Mischung aus Lesung und Vorlesung mit verteilten Rollen um »Heinrich Heine und die Schwaben«. Daß »Schwaben-Experte« Bausinger und der »ironieanfällige Kleinkünstler« Segebrecht — so Bibliotheksleiterin Christa Gmelch — ihren Bericht als »Welturaufführung« verkauften, zeugt von Selbstironie: Der Disput der Dichter vor gut 150 Jahren ist bekannt, die zitierten Autoren ebenso. Aber vielleicht war ja auch nur so der SWF dazu zu bringen, die Veranstaltung aufzuzeichnen . . .
Segebrecht und Bausinger berichteten rund 90 Minuten von den gegenseitigen Attacken Heines und der Mitglieder der sogenannten »schwäbischen Schule«. Die beiden würzten die Sache mit deftigen Originalzitaten — nicht nur auf dem an alle verteilten Flugblatt.
»Ein treues Abbild von meinem Steiss / Vermach ich der schwäbischen Schule, ich weiss, / Ihr wollt mein Gesicht nicht haben / Nun könnt Ihr am Gegenteil euch laben«, heißt es da.
»Schwer, in Stuttgart nicht moralisch zu sein«, hat Heine damals formuliert — hochmodern, das könnte auch bei einer Umfrage heutzutage herausgekommen sein.
Bausinger untermauert das Zitat später noch mit einer Troll-Anekdote, wo vom »schwäbischen Sex« die Rede ist — und von einem katholischen Pfarrer, der schon die bloße Kombination beider Wörter »für eine arg optimistische Formulierung« hält . . .
Den »schwäbischen Nudeldampf« in Stuttgart hat Heine sich damals aus Paris angeschaut — und fand, klar, aus dieser Sicht nicht viel Bemerkenswertes in den beschaulich idyllischen Zeilen der Schwaben-Dichter. Auf Gustav Schwab, Ludwig Uhland (»eine ehrliche Haut«), Justinus Kerner und Gustav Pfitzer hatte sich Heine damals besonders »eingeschossen«.
Die hatten — ausser ihrem »aufrechten« Zorn und wohl auch Neid — dem genialischen Spott des »Nestbeschmutzers« wenig entgegenzusetzen: Die entsprechenden Gedicht-Zitate, die Bausinger und Segebrecht mit offensichtlicher Spott-Lust ausgewählt hatten, deklassieren} den schwäbischen Dichterkreis auf Pennäler-Niveau.
Zum fein satirischen Ton des Abends passten auch die von einem achtköpfigen Chor (Leitung: Brigitte Neumann) mit Inbrunst a capella vorgetragenen Lieder. (-mpg)
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