Entstanden ist die Gruppe 1980, als sich ein Teil der Münchner Jazzrock-Gruppe »Embryo« nach einer Asientournee und dem Spielfilm »Vagabundenkarawane« von den Kollegen verabschiedete: Michael Wehmeyer, Frido Josch und Uve Müllrich nannten sich passend die »Dissidenten«. Später wurde Wehmeyer durch Marion Klein ersetzt; dieses Trio ist auch heute noch der Rumpf der »Dissidenten«. Meist tritt die Band mit zusätzlichen Gastmusikern auf.
Schon Embryo spielte 1972 in Nordafrika, wandte sich aber später vermehrt der indischen Musik zu. Auch die erste 'Dissidenten«-Platte — »Germanistan«, mit dem hochangesehenen »Karnataka College of Percussion« eingespielt — stand noch unter diesem Einfluß.
Über den Bassisten Uve Müllrich lernte die Band »Lem Chaheb« kennen,. eine der populärsten Bands im arabischen Sprachraum. Müllrich lernte in Tanger den Scheich Al Rashid kennen und wohnte über ein Jahr bei ihm im Palast des ehemaligen Sultans. Dort traf der Dissident auch auf Cherif M. Lamrani, der für die Texte von »Lem Chaheh« verantwortlich zeichnet: Die zweite Platte, »Sahara Elektrik«, war beschlossene Sache.
Ursprünglich sollte diese Produktion nur auf dem arabischen Markt erscheinen; für europäische Ohren schien die Musik zu exotisch. Es sollte anders kommen: Im Nu war der nordafrikanische Markt mit Millionen von raubkopierten Cassetten überschwemmt; dort ist das gängige Praxis. Um wenigstens einen Teil der durch die Lappen gegangenen Einnahmen zu retten, wurde »Sahara /Elektrik« schließlich doch noch in Europa herausgebracht.
Die Platte bekam in Deutschland ausgezeichnete Kritiken und erzielte einen Achtungserfolg — in England und in Südeuropa war die Resonanz wesentlich größer: Von der »Sounds«-Redaktion wurde »Sahara Elektrik« 1984 in die Liste der 20 wichtigsten Platten aufgenommen; der wohl beste DJ, John Peel, hatte ein offenes Ohr für die ungewohnten Klänge und speziell in Spanien und Italien schlug die Platte wie eine Bombe ein; dort sind die »Dissidenten« Superstars.
Vor zwei Jahren erschien schließlich die neueste Scheibe der Band. »Life at the Pyramids« ist die erste Platte im eigenen Studio und die letzte mit arabischen Klängen: »Es ist gefährlich, sich so lange mit diesem Arab-Zeug zu beschäftigen«, weiß Müllrich, »da kommen wir sonst nicht mehr von runter«.
Die Produktion der »Dissidenten« sind heute von Samplern und Elektronik bestimmt Vieles, was man auf Platte hört, kommt aus dem Computer: »Wenn ich einen knallharten Ostinato-Baß brauche, ist es Knochenarbeit, das fünf Minuten mit gleicher Power durchzuziehen. Da nehme ich mir lieber die gepfeffertsten Takte raus und mache den Baß auf der Platte mit dem Sampler. Da sparen wir uns viel Schweiß, und der Kopf bleiht frei für wichtigere Dinge«, meint Uve.
Live sind die »Dissidenten«, vor allem auch durch den algerischen Sänger Hamid Baroudi und den Saitenvirtuosen El Houssaine Kili, immer ein faszinierendes Erlebnis gewesen — sei es in der Reutlinger »zelle«, auf dem Trochtelfinger Festival oder anderswo. Wer die »Dissidenten« noch nie in Aktion erlebt hat oder sie wiedersehen möchte, hat beim Ludwigsburger Konzert am 6. November in der »Scala« Gelegenheit dazu. (mpg)