»Lieder und Gedichte über die Städte« heißt es im Untertitel zum Brecht-Programm, das 86/87 von Ellen Hammer für das Stuttgarter Staatsschauspiel zusammengestellt und in diesen Tagen vom Stuttgarter Ensemble »Das schiefe Podium« in der Stadtbibliothek aufgeführt wurde.
»Lieder und Gedichte über die Städte« waren natürlich auch in der bunten und musikalisch sorgfältig ausgewählten Produktion dabei; letztendlich waren es die Menschen, die in den Städten leben, die Brecht interessierten und um die es auch "in den weißen Höllen dieser Erde", so der Aufführungs-Titel, ging.
»Sieben Rosen hat der Strauch«, »Vom armen B. B.«, »Denn wovon lebt der Mensch«, »Das Lied von der großen Kapitulation«, »Mutter Beimlein«, natürlich der »Bilbao-Song« und das »Lied vom Fluß der Dinge« die Aufführung bot mit über 40 Liedern und Gedichten einen kleinen Einblick in das riesige lyrische Schaffen von Brecht und Einsichten in die Größe von drei Herren, wenn es darum ging, Texte von Brecht zu vertonen. Die Musik an diesem Abend wurde hauptsächlich von Kurt Weill, Hanns Eisler und Paul Dessau komponiert — sie unterstützt die Aussage und »Botschaft« Brechts mit der textlichen Schroffheit angemessenen Klängen.
Die Schauspieler und Sänger des »schiefen Podiums« wurden am Klavier von Gottfried Stramm zurückhaltend, aber gut begleitet; nicht ganz so gelungen schien manchmal der Gesang selber. Am ehesten scheint Johanna Hankes Phrasierung zu den Texten zu passen — der oft ohne Grund künstlich anmutende Gesang von Anne Hofmann und Hans J. Ballmann, der auch für die sparsame Bühnengestaltung — in der Stadtbibliothek mit Brecht-Plakaten, -Fotos und -Artikeln an den Wänden — verantwortlich ist, war nicht immer das beste Mittel, die Inhalte Brechts zu vermitteln. Elmar Wittmann konnte genausowenig wie Barbara Stoll in den Stadt-Szenen richtig überzeugen; beide wirkten trotz teilweise sehr guter gesanglicher Leistungen etwas blaß.
Ob man heutzutage mit einem Brecht-Programm noch jemanden »hinter dem Ofen vor-locken« kann, ist fraglich: Das nicht allzugroße »große Studio« war nur spärlich besetzt, anderen Darstellern ging es mit ähnlichen Programmen zumindest in Reutlingen genauso. Manches von Brecht wirkt allzu erzieherisch, einiges scheint speziell für unsere Zeit geschrieben worden zu sein. Auf jeden Fall gab dieser Brecht-Liederabend vom »schiefen Podium« demjenigen, der wollte, mehr als nur ein paar Anregungen zum Nachdenken.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 13. März 1989
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